Konzernbosse:Darf es noch ein bisschen mehr sein?

Die Vorstände der Dax-Konzerne haben teilweise radikale Gehaltseinbußen schlucken müssen. Einige Chefs haben aber auch mehr kassiert.

K.-H. Büschemann

Der Sieger heißt Peter Löscher. Der Vorstandsvorsitzende von Siemens hat unter den 30 Dax-Konzernchef im vergangenen Geschäftsjahr am besten verdient. 8,54 Millionen Euro bezog der gebürtige Österreicher, den Aufsichtsratschef Gerhard Cromme Mitte 2007 vom amerikanischen Pharma-Konzern Merck nach München gelotst hatte, in seinem ersten vollen Jahr an der Spitze des größten deutschen Industriekonzerns. Er löste damit Josef Ackermann ab, der im vergangenen Jahr diese Hitliste der Bestverdiener mit 14 Millionen Euro anführte und in der Öffentlichkeit damit viel Unmut auf sich zog. Der Banker verzichtete nun für 2008 auf seine Boni und gab sich mit 1,15 Millionen Euro zufrieden.

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(Foto: SZ-Graphik: E. Wolf, I. Burgarth)

Obwohl es 2008 ein paar Gehaltssteigerungen im Dax gab - VW-Chef Martin Winterkorn und der MAN-Vorstandsvorsitzende Hakan Samuelsson bekamen eine Erhöhung der Bezüge als Gegenleistung für erhöhte Gewinne - haben die Manager-Gehälter bereits auf die neuen Zeiten der Finanzkrise mit einem klaren Kurs nach unten reagiert.

Die Vorstände von Finanzkonzernen mussten sogar erhebliche Einbußen hinnehmen. Die Chefs von Industriekonzernen konnten noch einmal gut verdienen, weil manches Unternehmen im Jahr 2008 erst im letzten Quartal von der Finanzkrise erwischt wurde und für das Gesamtjahr noch gute Gewinne abwarf. "Die Gehaltssysteme atmen", sagt Jens Massmann von der Unternehmensberatung Ernst&Young. "Die Bezahlung folgt der allgemeinen Gewinnentwicklung." Die Kritik von Politikern oder Medien an Gehaltsexzessen der vergangenen Jahr wird angesichts drastisch verfallender Gewinne der Konzerne abnehmen.

Nach den Berechnungen der Beratungsgesellschaft Towers Perrin sind die Bezüge der Dax-30-Chefs im vergangenen Jahr durchschnittlich um 24 Prozent gefallen. Die Erträge der Unternehmen sind aber noch stärker zurückgegangen. Der Gewinn pro Aktie ist bei den größten deutschen Aktiengesellschaften im Schnitt um knapp 60 Prozent verfallen. Das zweite Ergebnis der Untersuchung ist: Die Chefs haben stärker verloren als die normalen Vorstandsmitglieder, die im Schnitt 17 Prozent weniger bekamen. Erstmals ist damit ein seit Jahren anhaltender Trend der Gehaltssteigerung gebrochen. Und das liegt nicht allein daran, dass die Gehälter mancher Bankchefs, die Staatshilfe in Anspruch nahmen, von der Regierung auf 500.000 Euro gedeckelt wurden.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum von einer neuen Bescheidenheit keine Rede sein kann.

Alles - nur nicht bescheiden

Dennoch wäre es zu früh, von einer neuen Bescheidenheit zu sprechen. Linde-Konzernchef Wolfgang Reitzle konnte sein Einkommen leicht steigern, obwohl der Gewinn des Unternehmens pro Aktie 2008 zurückgegangen war. Gleiches gilt für Bayer-Chef Werner Wenning. Festzuhalten ist auch, dass fünf Dax-Chefs auch in Zeiten schrumpfender Gewinne mehr als fünf Millionen Euro verdienen und 13 Unternehmenschefs ein Einkommen von mehr als vier Millionen Euro hatten. Daneben wirken die 2,4 Millionen Euro von BMW-Chef Norbert Reithofer geradezu bescheiden.

Die Managergehälter haben in den zurückliegenden beiden Jahren die Gemüter wie selten zuvor erhitzt. Die Bundesregierung ist inzwischen entschlossen, der Gehaltsentwicklung per Gesetz entgegenzutreten, auch wenn sie keine Deckelung der Bezüge plant. Die Regierungen in Amerika und Frankreich attackieren hohe Bezüge, und auch auf dem G-20-Gipfel vom Donnerstag waren die Managerbezüge ein Reizthema. Klaus-Peter Müller, der Vorsitzende der Regierungskommission Corporate Governance und Chef des Aufsichtsrats der Commerzbank, will in Zukunft die Aufsichtsratsvorsitzenden stärker in die Pflicht nehmen, auf eine vernünftige Bezahlung der Unternehmenschefs zu achten. Sie seien die eigentlich Zuständigen: "Kein Vorstand kann sein Gehalt selbst festlegen".

Wer sich fragt, wie der Siemens-Aufsichtsratsvorsitzende Gerhard Cromme 2007 so schnell einen Ersatz für Konzernchef Klaus Kleinfeld fand, findet möglicherweise im Gehalt von Peter Löscher die Antwort, das für Siemens-Verhältnisse hoch ist. Löschers Vorgänger war noch mit 3,6 Millionen Euro - weniger als der Hälfte - zufrieden.

Den zweiten Rang der Bestverdienerliste belegt Wolfgang Reitzle von der Linde AG. Er verdiente 2008 8,4 Millionen Euro. Dem 60-Jährigen wird allgemein bestätigt, dass er seine Sache bei Linde gut macht. Der Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Schneider, der früher Chef von Bayer war, hat offenbar eine hohe Meinung von Reitzle. Wäre der frühere Automanager bei BWM geblieben und heute vielleicht Chef des Münchner Konzerns, wäre er sicher auch mit dem Einkommen des heutigen Unternehmenschefs Reithofer zufrieden.

Gut verhandelt

Auch Jürgen Großmann, der Chef der RWE, der auf Rang drei der Gehaltlisten steht, versteht sich offenbar auf gutes Verhandeln. Neun Millionen Euro bezog er im vergangenen Jahr. Davon waren 2,7 Millionen Euro Grundgehalt. Kein anderer Dax-Chef hatte ein größeres Basis-Einkommen. Auch die erfolgsabhängige Tantieme fiel als Folge des guten Ergebnisses im vergangenen Jahr extrem hoch aus. Langzeit-Anreize für besonders nachhaltige Strategien fehlen dagegen in Großmanns Einkommenspaket. "Die würde man sich bei ihm wünschen", sagt ein Unternehmensberater.

Aus dem Rahmen fiel im vergangenen Jahr der Vorstandsvorsitzende von Volkswagen. Martin Winterkorn ist ein nüchterner Ingenieur, der sich für nichts anderes zu interessieren scheint als für Autos. Dass er in diesem Jahr der eigentliche Sieger in der Dax-Gehaltsliste wurde, liegt an der neuen Ehrlichkeit des VW-Konzerns. Der hat im Geschäftsbericht ausgewiesen, dass Winterkorn im vergangenen Jahr 12,7 Millionen Euro verdiente, weil er erfolgreich Aktienoptionen aus früheren Zeiten einlöste. Wegen des Einstiegs von Porsche bei VW war es zu Spekulationen bei VW-Aktien gekommen. An einem Tag im November schoss der VW-Kurs auf etwa 1000 Euro. Dass Winterkorn clever von dieser Spekulation profitierte, ist nach der Meinung von Professor Michael Adams von der Universität Hamburg nicht zu beanstanden: "Das ist rechtlich in Ordnung".

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