Kontrollwechsel:SAP in München

Jim Hagemann Snabe
(Foto: Uwe Anspach/dpa)

Jim Hagemann Snabe, ein ehemaliger Manager des IT-Unternehmens, soll den Siemens-Aufsichtsrat leiten und Gerhard Cromme ablösen. Snabe steht für neue Technologien.

Von Thomas Fromm

Eigentlich hatten sich die Dinge schon vor Jahren in diese Richtung entwickelt. 2013 war das Jahr, in dem der damalige Finanzchef Joe Kaeser als Nachfolger von Peter Löscher an die Siemens-Spitze kam. Und es war das Jahr, in dem sich Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann aus dem Aufsichtsrat zurückzog und Platz machte für einen damals 47-jährigen Dänen, der bis 2014 gemeinsam mit Bill McDermott in einer Doppelspitze den Software-Riesen SAP führte.

Was damals wie heute wichtig ist: Jim Hagemann Snabe galt im baden-württembergischen Walldorf als derjenige, der für technologische Sprünge zuständig war, und dies war einer der Hintergedanken, als man den ehemaligen Forschungs- und Entwicklungsmann von SAP in das Kontrollgremium der Münchner holte: Snabe sollte alles unter die Lupe nehmen, was bei Siemens mit Software und IT zu tun hatte.

Insofern passt es, dass er ausgerechnet jetzt auch neuer Aufsichtsratschef des Elektrokonzerns werden soll. Der inzwischen 51-Jährige soll bei der Siemens-Hauptversammlung an diesem Mittwoch zum Nachfolger des seit neun Jahren amtierenden Siemens-Aufsichtsratschefs Gerhard Cromme gekürt werden. Es ist dann auch ein Kulturwandel: Hier Cromme, der langjährige Aufsichtsratschef des Stahlkonzerns Thyssen-Krupp, den die Korruptionsaffäre bei Siemens auf den Aufsichtsratschefsessel spülte. Da Snabe, der IT-Mann, dem nur wenige Berührungspunkte zur IG Metall nachgesagt werden.

Bereits an diesem Dienstag soll die Personalie nach SZ-Informationen im Nominierungsgremium des Aufsichtsrats behandelt werden; im kommenden Jahr dann könnte Snabe übernehmen und damit eine langjährige Debatte über die Nachfolge Crommes beenden. Vor allem Aktionärsgruppen monieren seit Langem, dass kein Nachfolger für Cromme in Sicht war - und forderten eine offene Debatte. Zuletzt war von Norbert Reithofer die Rede gewesen; der frühere BMW-Chef führt heute den Aufsichtsrat des Autobauers an. Seinerzeit hieß es, der Manager stehe nicht für zwei Aufsichtsratsvorsitze zur Verfügung.

Nun dann also Snabe. Man könnte sagen: Er passt in diese Siemens-Zeit. Konzernchef Joe Kaeser investiert Milliarden in neue Technologien; erst im November gab das Unternehmen die 4,5 Milliarden Dollar teure Übernahme des Industrie-Software-Konzerns Mentor Graphics bekannt. Internet der Dinge, Industrie 4.0 - die Zeiten, in denen man in München analog dachte, sind lange vorbei.

Damit verändert sich der gesamte Konzern, und Snabe ist jemand, der zu diesen Veränderungen passt. Allerdings ist er auch Mitglied des SAP-Aufsichtsrats - eines Unternehmens also, das genau wie Siemens sein Geld unter anderem mit der Vernetzung von Fabriken verdient. Dies könnte noch die eine oder andere Diskussion auslösen.

So wie Snabe für die aktuelle Kaeser-Strategie steht, so sehr dürfte aber auch die Frage aufkommen, inwiefern er auch zum Rest des Siemens-Konzerns passt. Denn der Konzern mit seinen 350 000 Beschäftigten ist zwar gerade dabei, sein Geschäftsmodell zu digitalisieren, besteht aber zum großen Teil noch immer aus den klassischen Siemens-Sparte Energie, Medizin- und Gebäudetechnik, Zügen. Anders gesagt: SAP ist ein IT-Unternehmen. Siemens ist nach wie vor ein klassischer Mischkonzern.

Der Personal-Fahrplan könnte nun so aussehen: Snabe macht es für die nächsten Jahre, nach einer Abkühlungsphase könnte ihm dann Kaeser folgen. Der wiederum wird an diesem Mittwoch erst einmal einen leichten Stand haben: Der Kurs der Aktie hat in den vergangenen Monaten kräftig zugelegt; auch der geplante Börsengang der Medizintechnik-Sparte gefällt den Anlegern.

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