Kontrollen am Flughafen:Wenn Reisen zur Qual wird

In NRW beginnen die Sommerferien

Sicherheitskontrolle am Flughafen Düsseldorf: Drängeln hilft hier nichts.

(Foto: Maja Hitij/picture alliance/dpa)
  • Der Sicherheitscheck am Flughafen kann sich ziehen und nervt so die Reisenden. Kontrollen müssen natürlich sein, aber der Standard in Deutschland hängt im internationalen Vergleich zurück.
  • Fluglinien und Politik sehen Handlungsbedarf, doch die Besserung gestaltet sich kompliziert.

Von Jens Flottau und Christian Mayer

Wer viel Zeit auf Flughäfen verbringt, kennt diesen kritischen Moment, wenn man schon ahnt: Gleich geht das Theater wieder los. Eine Stunde bis zum Abflug, aber vor einem in der Schlange stehen diese gut gelaunten Männer mit den lustigen Hüten, die auf irgendeinen Junggesellenabschied zwischen Budapest und Barcelona gebucht sind. Dummerweise hat der eine seine Nagelschere zusammen mit der Ginflasche in seinen Reisebeutel gesteckt, und der andere hat vor lauter Fummelei einen Smartphone-Blackout, als er sein Online-Ticket vorzeigen soll: Schon stockt der ganze Betrieb, und die Schleuse mit den Detektoren wird zur ersten Urlaubsfalle.

In alten Filmen oder Werbebroschüren längst abgewickelter Fluggesellschaften wie der Pan Am kann man sich noch ein Bild machen, wie es anders geht. Wie mondän, bequem und angenehm das Reisen mit dem Flugzeug einmal war. Zur Realität gehört heute jedoch eine systemimmanente Zeitverzögerung, eine Barriere, die oft zur Qual wird: der Sicherheitscheck.

Es hat sich viel geändert im Flugverkehr seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001: Wer fliegt, muss heute bis in jede Faser durchleuchtet werden, nach jedem neuen Terroranschlag noch ein wenig intensiver.

Vor Ostern verpassten 3500 Lufthansa-Passagiere ihren Flug

Wie aber sieht das Fliegen in Zukunft aus, wie könnte es besser klappen mit der Abfertigung der Fluggäste? Der Airline-Weltverband IATA hat konkrete Vorstellungen davon, wie die Sicherheitskontrollen künftig einmal funktionieren könnten. Beim sogenannten "Checkpoint of the Future" würden die Passagiere einfach mitsamt ihrem Handgepäck in normalem Tempo durch eine Art breites Tor laufen. Die Scanner wären gut genug, trotz der vielen Menschen diejenigen herauszufiltern, die etwas Verbotenes mit an Bord nehmen wollen. Warteschlangen wären passé.

Doch die Vorschläge der Industrie sind weit entfernt von der Realität. Manchmal liegt das nur daran, dass alle auf einmal verreisen wollen - so wie in den Osterferien. Der Flughafenbetreiber Fraport riet den Reisenden, zweieinhalb Stunden vor Abflug am Airport zu sein, weit länger als die meisten Europaflüge dauern. Trotzdem verpassten alleine in der Woche vor Ostern 3500 Lufthansa-Passagiere ihren Flug, weil sie in der Schlange vor der Sicherheitskontrolle feststeckten - das Unternehmen beklagt "unhaltbare Zustände." Manchmal sind einfach nur zu wenige Kontrollstellen geöffnet, zu viele Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes im Urlaub oder krank, wie gerade während der Grippewelle. Oder die Firma hat aus Kostengründen zu wenige Mitarbeiter eingestellt. In diesem Fall stehen die Leute bis zu 45 Minuten vor der Kontrolle. Pech gehabt.

Nach Hightech sehen die Kontrollstellen hierzulande nicht gerade aus. Während an vielen europäischen Flughäfen Fließbänder mit mehreren Positionen für die Wannen installiert sind, auf die Passagiere parallel ihre Taschen legen, werden an Deutschlands größtem Drehkreuz in Frankfurt Reisende noch immer sukzessive abgefertigt. Ein zähes Prozedere: Wenn einer seine Zahnpastatube auspackt oder irgendwo der Reißverschluss klemmt, müssen alle warten.

Die Sicherheit an Flughäfen zu gewährleisten, ist überall in Europa eine staatliche Aufgabe. Doch nirgendwo mischen sich die Behörden so sehr ins Detail ein wie in Deutschland, obwohl die Kontrollen meist an private Sicherheitsfirmen ausgelagert sind. Die Bundespolizei schreibt penibel vor, wie die Kontrollstellen und die technischen Geräte auszusehen haben. In Belgien, den Niederlanden, Großbritannien oder Spanien beschränken sich die Behörden auf die Fachaufsicht. "Wir hinken dem Markt bei den technischen Geräten immer drei bis fünf Jahre hinterher", beklagt ein deutscher Flughafenmanager.

Tänzelnd kommt keiner bis zum Gate

Im Hollywood-Film "Up in the Air" kann man lernen, wie man sich an jeder Warteschlange vorbeimogelt. George Clooney spielt die Hauptrolle, einen Berater, dessen Job es ist, überall in den USA die Mitarbeiter anderer Firmen zu entlassen. So einer ist immer in der Luft, er jettet seinem großen Ziel hinterher: die Zehn-Millionen-Meilen-Karte. Am schönsten ist die Szene, in der Clooney in zwei Sekunden durch die Sicherheitsschleuse tänzelt - der Vielflieger-Profi stellt sich nie dort an, wo das genervte Fußvolk den Weg blockiert. Der Vielflieger kennt den direkten Weg in die Klasse, die ihm gebührt.

Die Realität sieht bekanntlich anders aus, selbst für Menschen mit Senator-Goldkarte und First-Class-Anspruch. Tänzelnd kommt keiner bis zum Gate. Dass es auch hierzulande anders gehen kann, zeigen allerdings Pilotprojekte an den Flughäfen von Köln/Bonn, Hamburg und Berlin-Schönefeld. In Schönefeld durfte die Sicherheitsfirma ein bisschen mehr selbst entscheiden, wie sie die Kontrollen organisiert, in Hamburg wurden die Warteschlangen verändert. Noch besser waren die Resultate in Köln: Dort war bis Oktober 2017 eine "Easy Security"-Kontrollstelle aufgebaut. Laut Bundespolizei wurden pro Stunde im Durchschnitt 329 Passagiere durchgeschleust; bei einer herkömmlichen Anlage mit zwei Spuren waren es nur 190. Die Easy-Security-Linien setzen auf Effizienz: Passagiere können parallel ihr Handgepäck an vier Stellen in die Wannen legen und diese aufs Band schieben. Die Mitarbeiter, die die Monitore überwachen, sitzen nicht mehr im Lärm des Terminals, sondern in einem geschlossenen Raum, in dem sie sich voll auf ihren Job konzentrieren können. Und hinter den Scannern gibt es mehr Platz für die Nachkontrollen und die Passagiere, die ihr Gepäck zusammenklauben. Doch trotz des Erfolgs: Was aus diesen Projekten wird, ist völlig offen.

Immerhin hat auch die Politik erkannt, dass Handlungsbedarf besteht. Die große Koalition hat sich vorgenommen, Organisation und Aufgabenverteilung zu "begutachten" und will "konzeptionelle Vorschläge" erarbeiten lassen, so steht es im Koalitionsvertrag. Doch einig sind sich die Regierungsparteien keinesfalls: Die SPD hat vorgeschlagen, eine neue Superbehörde zu gründen, die alle staatlichen Zuständigkeiten bei der Flughafensicherheit zusammenfasst, was die Union ablehnt.

Die Flughäfen wiederum sind laut Ralph Beisel, Chef des Branchenverbandes ADV, "grundsätzlich bereit", die Sache in die eigene Hand zu nehmen. Sie hätten mehr Erfahrung damit, große Passagierströme zu steuern als die Bundespolizei. Voraussetzung wäre allerdings eine Änderung des Luftsicherheitsgesetzes - mit der Option, Flughäfen die Kontrollen unter Aufsicht zu übertragen. Auch das CSU-geführte Bundesinnenministerium scheint, so der Eindruck in der Industrie, das Problem gerne loswerden zu wollen. Das Ministerium räumt ein, dass sich im europäischen Ausland ein "anderes Modell" der Kontrollen durchgesetzt habe, das genau so sicher sei. Das Modell habe Vorteile, denn unter anderem müsse sich die Bundespolizei nicht um "polizeifremde" Dinge kümmern. Doch vorerst will man die im Koalitionsvertrag vereinbarten Studien abwarten. Das kann dauern.

Auch Passagiere wollen Sicherheit

Druck machen vor allem die Fluggesellschaften, die sich mit verärgerten Passagieren herumschlagen müssen: Lufthansa-Chef Carsten Spohr kritisierte unlängst, der Frankfurter Flughafen habe auch wegen der Sicherheitskontrollen ein "gravierendes Qualitätsproblem".

Natürlich ist der schnelle Durchlauf von der Airport-Drehtür zum Gate nicht mehr möglich. Auch den Passagieren ist an Sicherheit gelegen. Dass die Antwort darauf aber nur noch strengere Kontrollen, mehr Formulare, noch mehr Aufpasser in Uniform lauten soll, ist in Zeiten immer besserer Überwachungstechniken schwer zu verstehen. Nur Fliegen ist schöner, hieß es mal. Heute wäre es schon schön, wenn Fliegen etwas weniger nervig wäre.

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