Konjunkturpaket: Wohin fließt das Geld?:Gips statt Grips

Zu viel Infrastruktur, zu wenig Bildung: Wirtschaftsforscher kritisieren, dass Bund und Länder die Milliarden aus dem Konjunkturpaket falsch ausgeben.

Markus Balser

Die Millionen aus Berlin flossen reichlich, Lokalpolitiker im ganzen Land waren zufrieden. Das Konjunkturpaket II des Bundes bringe feine Möglichkeiten für seinen Wahlkreis, lobte im Februar auch der Hamburger CDU-Wahlkreisabgeordnete Klaus-Peter Hesse in einem Rundbrief an seine Nachbarn und listete auf: Zwei Millionen Euro für die Sanierung eines Lehrschwimmbeckens, 8,3 Millionen Euro für Lärmschutz und nicht zu vergessen: zehn Millionen Euro für den Bau eines Bestattungsforums auf dem Friedhof Ohlsdorf. Die Vorteile waren geradezu unübersehbar. Denn mit den Investitionen können Urnen in Ohlsdorf nicht erst Tage nach der Trauerfeier beigesetzt werden, sondern schon nach eineinhalb Stunden, erklären die Hamburger Friedhöfe.

Baustelle in Düsseldorf, Foto: AP

Baustelle in Düsseldorf: Die Wirtschaftsforscher des DIW kritisieren, das Geld aus dem Konjunkturpaket fließt zu wenig in Bildungsinhalte.

(Foto: Foto: AP)

Für das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin sind die Hamburger Friedhofsmillionen nur eins von vielen Beispielen dafür, wie landauf, landab Mittel aus den milliardenschweren Konjunkturprogrammen der falschen Stelle ausgegeben werden. Eine Studie des Instituts im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) kommt zum Schluss: Von beinahe 24 Milliarden Euro aus Bundes- und Länderkassen fließt nicht mal ein Drittel in zukunftsorientierte Projekte. "Wir erleben eine verschenkte Gelegenheit", kritisierte DIW-Präsident Klaus Zimmermann am Dienstag bei Präsentation der Studie in Berlin.

Kaum Geld für Unterrichtsausstattung

Bundesweit investiere die öffentliche Hand 70 Prozent der Fördermittel nur in die reine Instandhaltung von Gebäuden und die Infrastruktur. "Die Chance zur Erhöhung des volkswirtschaftlichen Wachstums wurde nicht genutzt", sagte der DIW-Präsident. Besonders auffällig sei die falsche Investitionspolitik in der Bildung. "Die angekündigte Bildungsoffensive hat sich als regelrechte Mogelpackung erwiesen", klagt Zimmermann.

So sei kaum Geld für die Unterrichtsausstattung ausgegeben worden. Gerade mal sechs Prozent der fast sieben Milliarden Euro angekündigter Bildungsinvestitionen sei tatsächlich in Bildungsinhalte geflossen. Dabei hätten die Länder Sanierungsarbeiten ohnehin durchführen müssen. "Geld für Gips statt Geld für Grips - das hat mit Zukunftsinvestitionen nichts zu tun", so der DIW-Chef.

Bei Prüfung der Ausgaben deckten die Forscher kaum erklärbare Millionentransfers auf. So flossen in Frankfurt an der Oder allein 5,5 Millionen Euro in den Ausbau eines Schießsportzentrums. "Das ist völlig inakzeptabel", kritisierte INSM-Geschäftsführer Max Höfer. Die Länder müssten künftig transparenter über die Ausgaben der Fördermittel informieren, forderte er. "Die Steuerzahler haben ein Recht, zu erfahren, ob ihr Geld sinnvoll eingesetzt wird."

Politikwechsel gefordert

Innerhalb Deutschlands kommen die Bundesländer Bremen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen noch am besten weg. Sie stecken der Studie zufolge mit knapp 50 Prozent ihrer Ausgaben noch am meisten in die Zukunft. Das Schlusstrio bilden Mecklenburg-Vorpommern, das Saarland und Brandenburg. Sie geben mehr als drei Viertel für die reine Instandhaltung von Gebäuden, Infrastruktur und Bildungseinrichtungen aus. Keine Angaben zur Mittelverwendung machte als einziges Bundesland Thüringen. Es verweigerte Informationen über Art und Umfang seiner Investitionen.

Angesichts der hohen Ausgaben für die reine Instandhaltung von Gebäuden und Einrichtungen forderte das DIW einen Politikwechsel. "Durch solche Maßnahmen werden Missstände kaschiert. Die Bestandserhaltung muss selbstverständlich sein und darf nicht aus Konjunkturpaketen finanziert werden", sagte der Geschäftsführer der DIW-Beratungstochter Econ, Lars Handrich: Laut DIW wurden in Sachsen 120.000 Euro für die Erneuerung einer einsturzgefährdeten Mauer in einer Kindertagesstätte bewilligt. "Dafür müsste auch ohne Konjunkturpaket Geld da sein", so Hindrich.

Gerade jetzt, wo der Aufschwung einsetze und somit die Wirtschaft nicht mehr kurzfristig belebt werden müsse, träten die Mankos der Programme zutage, warnte DIW-Chef Zimmermann. Deshalb sei ein rasches Umsteuern der Regierungen nötig. Für die Studie untersuchten die Forscher des DIW fast 90 Prozent der Mittel von insgesamt 23,6 Milliarden Euro. Die Hilfspakete sollen einerseits deutsche Unternehmen in der Wirtschaftskrise stützen und andererseits das Wachstum der deutschen Wirtschaft langfristig steigern.

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