Konjunktur:Sorgen um den Aufbau Ost

Viele Firmen haben kräftig jenseits des ehemaligen Eisernen Vorhangs investiert - nur wenige fürchten bislang um ihre Geschäfte. In Bildern.

8 Bilder

arcandor: ddp

Quelle: SZ

1 / 8

Noch geben sich die meisten Unternehmen nach außen hin gelassen. In Osteuropa herrsche ein großer Nachholbedarf, lassen sie verlautbaren.

Die Menschen würden weiterhin einkaufen, Arzneien schlucken und Strom verbrauchen. Doch die Krisen-Nachrichten häufen sich. Bei Ländern wie Ungarn oder der Ukraine musste bereits der Internationale Währungsfonds (IWF) einspringen. Hinter verschlossenen Türen dürfte also die eine oder andere Firma ihre Auslandsengagements durchrechnen - und das eine oder andere davon abschreiben.

Wie im Paradies In der rumänischen Hauptstadt Bukarest fühlt sich Marc Sommer, Chef des Versandgeschäfts von Arcandor, zu dem auch Quelle gehört, wie im Paradies: "Hier sind die Leute so wild auf den Quelle-Katalog, dass sie dafür am Kiosk Geld bezahlen." Dabei verteilt der Händler das Druckwerk sonst unentgeltlich.

Noch schöner für Quelle ist, dass die Rumänen auch fleißig Waren bestellen. Das Unternehmen freut sich über jährliche Umsatzzuwächse von 20 bis 30 Prozent. Im gleichem Tempo geht es für Quelle in anderen Ländern Osteuropas aufwärts.

Auch wenn sich die konjunkturelle Situation dort eintrübt, hofft Sommer weiter auf gute Geschäfte. In zwei, drei Jahren will er in dieser Region mehr Mode verkaufen als in Deutschland: "Der Nachholbedarf dort ist riesig." Auch Metro-Chef Eckhard Cordes erwartet in Osteuropa "keine dramatischen Bremsspuren". Zwar würden sich die Wachstumsraten für die Töchter Media Markt, Real sowie das Großhandelsgeschäft abschwächen. Aber gemessen an dem Tempo in Westeuropa gehe es dort auch künftig rasant bergauf.

Das ist der Grund, weshalb viele deutsche Handelskonzerne ihre Expansion im Osten nicht bremsen: Anders als zu Hause, sind die Märkte dort noch lange nicht gesättigt. Das verspricht anhaltendes Wachstum. So ist es kein Zufall, dass sich Tengelmann zuletzt von allen Läden der Discount-Tochter Plus getrennt hat - nur nicht in Rumänien. "Das Geschäft dort läuft gut. Bald wollen wir auch nach Bulgarien", sagt Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub.

Text: Stefan Weber Foto: ddp

Stahl_dpa

Quelle: SZ

2 / 8

Oligarchen gebremst Die westlichen Stahl- und Metallkonzerne können den Turbulenzen an den Finanzmärkten auch eine positive Seite abgewinnen.

Jahrelang hatten russische Oligarchen ihren vermeintlich sagenhaften Reichtum dazu genutzt, um mit ihren Stahl- und Aluminiumkonzernen weltweit auf Einkaufstour zu gehen. Alexej Mordaschow gab mit seiner Severstal allein dieses Jahr 2,5 Milliarden Dollar für Akquisitionen in den USA aus. Mit der Evraz mischte Roman Abramowitsch am Stahlmarkt mit, ebenso wie Rusal Oleg Derispaska mit der Rusal auf dem Aluminiummarkt.

Wenn nicht alles täuscht, haben die Oligarchen in der nächsten Zeit genug zu tun, ihre Finanzen in Ordnung zu bringen. Die Gefahr neuerlicher Übernahmen ist für die Konkurrenten damit geringer geworden.

Schickte Russland sich an, eine wesentliche Rolle auf dem Weltstahlmarkt zu spielen, ist die Region Mittel- und Osteuropa andererseits ein wichtiger Exportmarkt für höherwertige Stahlprodukte. Soweit es sich um die großen Projektgeschäfte wie Vorhaben der Öl- und Gasindustrie oder Infrastrukturinvestitionen handelt, sind diese in aller Regel durchfinanziert und von den Finanzkrise wenig tangiert.

Test: Hans-Willy Bein Foto: dpa

lkw_dpa

Quelle: SZ

3 / 8

Auf Abruf Osteuropa hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten zur Werkbank für den Westen entwickelt. Und weil die Dinge nun dort gebaut und hier gebraucht werden, freut sich die Transportbranche. Die wichtigen Speditionen haben heute Niederlassungen in ungefähr jeder zweiten slowakischen Kleinstadt.

Wer in den vergangenen Jahren in Europa zweistellige Wachstumsraten erreichen wollte, tat das vor allem im Geschäft von und nach Osteuropa.

Und was passiert nun? Bisher nichts. Weil in Osteuropa die modernsten Fabriken stehen, die Produktionskosten am niedrigsten sind und zum Beispiel die Autoindustrie hier oft nicht ihre Spitzen-Modelle, sondern die Holzklasse herstellt, füllen die Ost-Fabriken weiter die unzähligen Lastwagen, die täglich an die Laderampe fahren. "Die Finanzkrise hat sich noch nicht im physischen Transport niedergeschlagen", heißt es etwa bei der Spedition Dachser, einer der führenden auf Europas Straßen.

Klar ist aber: Die Transporteure, als Handlanger der Hersteller weitgehend abhängig von deren Plänen, haben es in diesen Wochen nicht mehr eilig zu investieren. "Wir müssen erst wissen, was unsere Kunden vorhaben", sagte ein namhafter Manager, "und die wissen es gerade oft selbst noch nicht".

Text: Henning Hinze Foto: dpa

pillen_ddp

Quelle: SZ

4 / 8

Pillen bleiben wichtig Osteuropa ist für viele Pharmafirmen ein Hoffnungsträger - auch in den Zeiten der Krise. Die Umsätze mit Arzneien sind für viele Firmen zuletzt zweistellig gestiegen, weil in den Nachbarstaaten ein Nachholbedarf bei der gesundheitlichen Versorgung besteht und sich mehr Menschen billige Generika leisten können.

Davon profitieren die drei umsatzstärksten deutschen Anbieter von nachgeahmten, günstigen Medikamenten (Generika) Hexal, Ratiopharm und Stada. Für sie ändert sich angesichts der schlechten Wirtschaftslage in Osteuropa wenig: "Wir sehen keine Anzeichen für eine signifikante Verschlechterung", sagte ein Sprecher von Stada.

Die Firma aus Bad Vilbel erzielt etwa 20 Prozent des Umsatzes in Osteuropa, die Hälfte davon in Russland. Dort versorgten sich die Menschen ungebremst mit Arzneien. "An der Gesundheit sparen die meisten als Letztes."

Ähnlich ist die Lage beim Wettbewerber Ratiopharm. Die Ulmer Firma erzielt knapp zehn Prozent ihrer Erlöse in Osteuropa. Für die dortigen EU-Staaten ergäben sich keinerlei Probleme, sagte ein Sprecher.

Anders sehe die Situation in Kasachstan und der Ukraine aus: "Dort gibt es Umsatzrückgänge." Wie wenig tangiert die Generika-Firmen insgesamt sind, bestätigt der Branchenverband Progenerika. "Die Unternehmer haben andere Probleme als das Osteuropa-Geschäft, sie reden vor allem über Rabattverträge", sagte ein Sprecher.

Text: Kristina Läsker Foto: ddp

maschinen_dpa

Quelle: SZ

5 / 8

Die Maschinen laufen Mit seiner langen Maschinenbau-Tradition ist Tschechien nicht nur ein wichtiger Zulieferer für die deutsche Industrie: Spätestens seit dem EU-Beitritts-Boom haben sich die Länder in Osteuropa auch zu einem lukrativen Absatzmarkt für deutsche Maschinenbauer entwickelt. Mit rund zehn Prozent jährlichem Zuwachs bei den Auftragseingängen nach Deutschland liegen Länder wie Polen, Tschechien oder Ungarn weit über dem EU-Durchschnitt.

Trotz Finanzkrise bemerkt der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) derzeit keinen drastischen Auftragsrückgang aus Osteuropa. "Sicherlich wird dieses Wachstum von Aufträgen aus Osteuropa im nächsten Jahr schwächer ausfallen", sagt Yvonne Bläßer, Osteuropa-Expertin des Verbandes. "In absoluten Zahlen bewegen wir uns aber auf einem sehr hohen Niveau."

Allgemein sei die Branche starke Schwankungen im Konjunkturzyklen gewohnt.

Text: Stefan Schweiger Foto: dpa

limo_ap

Quelle: SZ

6 / 8

PS auf Pump Die Russen sind konsumfreudig. Doch wie lange noch? Ihr Einkommen stammt zu einem erheblichen Teil aus Erdöl und Erdgas. Deren Preis hat sich seit dem Sommer halbiert. Das führt zu sinkenden Einnahmen. Die Frage ist nur noch, wie lange das dauert, bis es sich auf den privaten Konsum auswirkt.

Einer der blühenden Zweige der russischen Wirtschaft war in den vergangenen Jahren die Autoindustrie. Mit regelmäßigen Wachstumsraten um die 30 Prozent rechnet nun niemand mehr. Doch es könnte noch schlimmer kommen. In Russland wird deutlich mehr als die Hälfte aller neuen Autos auf Pump gekauft. Bei teuren Luxuslimousinen sollen es bis zu 85 Prozent sein. Wie lange noch wird der neureiche russische Verbraucher die Raten für sein gekauftes oder geleastes Auto bezahlen können? Das ist eine spannende Frage für normale Banken, aber auch für manche Autobank im Besitz der großen Autohersteller.

Die haben sich alle auf dem Wachstumsmarkt engagiert. Sie haben wie General Motors oder Volkswagen eigene Montagewerke gebaut, wie Renault sich beim russischen Marktführer Lada eingekauft. Diese Vorhaben werden zwar nicht gestoppt, aber VW zum Beispiel will seine Fabrik in Kaluga langsamer aufbauen als geplant. Der Lada-Konzern Avtovaz in Togliatti spürt angeblich noch nichts von einer Krise. Das könnte nicht zuletzt am Oldtimer auf der Basis eines Fiat 124 liegen, der seit vier Jahrzehnten in modifizierter Form produziert und verkauft wird. Für 4000 Euro ist er ein schwer schlagbares Angebot für russische Konsumenten in der Krise.

Eigentlich sollten in Russland in diesem Jahr schon mehr Autos verkauft werden als in Deutschland. Doch daraus wird nun nichts. Der Wachstumsmarkt Russland weckt in Zeiten der Finanzkrise mit ihren unabsehbaren Folgen nicht mehr ganz so große Hoffnungen in der Autoindustrie wie bisher. Diese ruhen nun eher auf China, Indien und Südamerika.

Text: Michael Kuntz Foto: AP

strom_dpa

Quelle: SZ

7 / 8

Hoher Strombedarf Die großen Energiekonzerne sehen viele Länder Osteuropas mit ihrem Wachstumstrend als Chance für die eigene Expansionsstrategie an. An dieser Einschätzung ändert auch eine mögliche Konjunkturabkühlung als Folge der Finanzkrise nichts.

Russland gehört mit Wachstumsraten von fünf Prozent zu den am schnellsten expandierenden Strommärkten. Polen steht vor einer Privatisierung der Versorgungswirtschaft. Auch in anderen Ländern Mittel- und Osteuropas sind umfangreiche Investitionen zur Modernisierung der Strom- und Gasversorgung notwendig. Osteuropa wird nach übereinstimmender Meinung von Eon und RWE den Aufholprozess gegenüber den westlichen Industrieländern fortsetzen und benötigt dafür eine leistungsfähige Energieerzeuung. "Die Perspektiven für uns sind unverändert gut", heißt es beim RWE-Konzern.

Die Länder könnten die Projekte meist nicht allein stemmen. "Wir halten an unseren Investitionsplänen fest", sagt Eon-Chef Wulf Bernotat. Die Finanzkrise ändere nichts an der Bedeutung der osteuropäischen Märkte.

Eon ist mit über 76 Prozent am russischen Stromversorger OGK-4 beteiligt, der einen Marktanteil an der russischen Stromversorgung von sechs Prozent hat. Nach jahrelangen Verhandlungen hat der Konzern vor kurzem eine Beteiligung von annähernd 25 Prozent am großen sibirischen Gasfeld Juschno Russkoje perfekt gemacht. In Ungarn und Tschechien baut Eon Gaskraftwerke. Der RWE-Konzern verhandelt mit dem bulgarischen Energieunternehmen NEK über die Gründung einer Projektentwicklungsgesellschaft zum Neubau eines Kernkraftwerks. In Polen ist der Bau eines Kohlekraftwerks geplant.

Text: Hans-Willy Bein Foto: dpa

chemie_dpa

Quelle: SZ

8 / 8

Der Export boomt Die deutsche Chemieindustrie betreibt ihre wichtigsten und damit größten Fabriken in Westeuropa wie etwa in Ludwigshafen (BASF), in Nordamerika und in Asien, zum Beispiel im chinesischen Nanjing. Die Länder Ost- und Mitteleuropas spielen als Produktionsstandort für sie kaum eine Rolle.

Diese Region ist dafür aber ein wichtiger Absatzmarkt für chemische Erzeugnisse. Und als Nachfrager haben die Länder Mittel- und Osteuropas zuletzt erheblich an Bedeutung gewonnen. Die deutsche Chemieindustrie profitiert dabei von der unmittelbaren Nachbarschaft zu vielen Abnehmerbranchen wie der Automobilindustrie im Osten Europas, weil der Transport von Gütern keine großen Probleme macht. Die Exporte in diese Region sind in den vergangenen Jahren kräftig gestiegen, während sich im Gegenzug die Importe von dort weit weniger dynamisch entwickelten.

Das Geschäft der deutschen Chemieindustrie mit Mittel- und Osteuropa führte 2007 zu einem um 16 Prozent auf 11,8 Milliarden Euro gekletterten Handelsbilanzüberschuss bei Exporten von über 16 Milliarden Euro, was wiederum einem Achtel der gesamten deutschen Chemieausfuhren entsprach. Zum Vergleich: Im Jahr 2002 hatte dieser Handelsbilanzüberschuss "nur" 6,1 Milliarden Euro betragen. Diese Entwicklung zeigt eindrucksvoll, wie stark das Geschäft mit der Region im Osten ausgeweitet werden konnte. Ein Kollaps eines Landes oder sogar mehrerer Nationen dort hätte auf die deutschen Chemieunternehmen negative Rückwirkungen, weil den Firmen möglicherweise wichtige Absatzmärkte ganz wegbrechen könnten.

Text: Harald Schwarz /ld/mel Foto: dpa

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: