Konjunktur:Nur die Ruhe

Neue Konjunkturdaten zeigen: Die deutsche Wirtschaft hat die Brexit-Entscheidung bisher gut weggesteckt. Aber was ist mit den aktuellen Anschlägen?

Viele Firmen in Deutschland reagieren bisher eher gelassen auf das Brexit-Votum der Briten. Während sich die Stimmung am Bau, im Einzelhandel und bei den Dienstleistern im Juli verbesserte, trübte sie sich in der Industrie ein. Insgesamt fiel der Ifo-Geschäftsklimaindex um 0,4 auf 108,3 Punkte und damit deutlich geringer als befürchtet. "Die deutsche Konjunktur zeigt sich widerstandsfähig", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest am Montag. Die Umfrage unter 7000 Managern gilt als wichtigstes Konjunktur-Barometer. Ökonomen hatten zwar mit einem kräftigen Rückgang gerechnet, der Index markiert aber immer noch den zweithöchsten Stand in diesem Jahr. Die Daten schoben auch den deutschen Aktienmarkt an.

Die Führungskräfte beurteilten die Geschäftsaussichten für die kommenden sechs Monate wie erwartet ungünstiger als zuletzt, ihre aktuelle Lage aber überraschend noch einmal besser. Die binnenwirtschaftlich orientierten Branchen gewinnen an Zuversicht, während Exporteure skeptischer sind. So trübte sich die Stimmung im Verarbeitenden Gewerbe im Juli ein - trotz zufriedenstellender Geschäftslage, wie das Ifo betonte. "Die Industrie blickte aber merklich weniger optimistisch auf die kommenden Monate, die Automobilbranche berichtete sogar von pessimistischen Erwartungen." Das Vereinigte Königreich ist der weltweit drittwichtigste Absatzmarkt für deutsche Exporteure - nach den USA und nach Frankreich, aber noch deutlich vor China. Im deutschen Einzelhandel, bei den Dienstleistern und am Bau hingegen ging es bergauf.

Ein Risiko für die Wirtschaft sind laut Ifo-Einschätzung der Amoklauf von München und weitere Gewalttaten. "Das Signal, das von den jüngsten Anschlägen ausgeht, könnte in den kommenden Monaten die Stimmung dämpfen", sagte Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe. Noch kaufe "der deutsche Konsument weiter fleißig ein". Allerdings befürchtet Rolf Bürkl vom Marktforscher GfK, dass sich die Kauflaune der Verbraucher etwas eintrübt. "Es kann sein, dass sich die Verunsicherung auf den Konsum auswirkt." Die Bürger könnten größere Orte wie Einkaufszentren meiden und mehr online shoppen.

Großbritannien könnte in Rezession rutschen

In Großbritannien sorgt das Brexit-Votum derweil bereits für Unsicherheit und eine gedämpfte Auftragslage der Industrie, wie der Branchenverband CBI mitteilte. Das Barometer der für die kommenden drei Monate zu erwartenden Order fiel sogar auf den niedrigsten Wert seit Januar 2012. Über der Industrie schwebe nach dem Brexit-Votum eine dunkle Wolke, warnte CBI-Chefökonom Rain Newton-Smith. Fachleute erwarten, dass Großbritannien in eine Rezession rutschen könnte.

Wegen der Folgen des Anti-EU-Referendums senkte das Ifo-Institut seine Wachstumsprognose für Deutschland für 2016 auf 1,7 von 1,8 Prozent. Für das nächste Jahr peilen die Münchner unverändert ein Plus von 1,6 Prozent an.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: