Konjunktur:Fakt oder Fake?

Das Ifo-Geschäftsklima scheint besser zu sein als die Lage. Objektiv gesehen sind Stimmungsindikatoren keine Facts, also richtige Konjunktur, sondern Fakes, also Vortäuschung von Konjunktur, sagt ein Ökonom.

Von Catherine Hoffmann

Die Stimmung in den deutschen Chefetagen ist euphorisch. Der Ifo-Geschäftsklimaindex stieg im Juli von 115,2 auf 116,0 Punkte. Das ist der dritte Rekord in Folge und der höchste Stand seit der Wiedervereinigung. Besser könnte die Konjunktur kaum laufen. Oder etwa doch? "Die Stimmung scheint mir übertrieben", sagt Martin Hüfner, Chefvolkswirt beim Münchner Vermögensverwalter Assenagon. "Schaut man sich das Wachstum der Wirtschaft gemessen am realen Bruttoinlandsprodukt (BIP) an, so ist es zwar nicht schlecht, aber auch nicht exzeptionell." Nach den Stimmungsindikatoren gerechnet sollte das Wirtschaftswachstum Hüfner zufolge bei vier bis fünf Prozent liegen. Tatsächlich ist es mit 1,7 Prozent im ersten Quartal nicht einmal halb so hoch.

Woher rührt der Unterschied? Normalerweise folgt die Produktion der Stimmung in der Wirtschaft. Wenn die Unternehmer optimistischer werden, sind sie bereit, mehr zu produzieren. Derzeit beurteilen die Befragten die Geschäftslage für die kommenden Monate so positiv wie lange nicht. Aber die wirtschaftliche Realität kommt nicht hinterher: Das Geschäftsklima ist dem BIP und der Industrieproduktion weit vorausgelaufen. In früheren Jahren verliefen die Kurven parallel, nun entwickeln sie sich auseinander. Hüfner sagt: "Objektiv gesehen sind Stimmungsindikatoren keine Facts, also richtige Konjunktur, sondern Fakes, also Vortäuschung von Konjunktur." Das ist zugespitzt, doch die Frage ist berechtigt: Kann man dem Ifo-Index noch vertrauen?

Aber ja, meint Klaus Wohlrabe, Stellvertretender Leiter des Ifo Zentrums für Konjunkturforschung, und macht zunächst einmal einen "optischen Effekt" geltend: Je nachdem, wie in der Grafik die Achsen lägen, habe man den Eindruck, dass das Wachstum dem Indikator nicht hinterherkomme. Aber auch Wohlrabe gibt zu, dass Wirtschaftswachstum und Industrieproduktion heute "nicht mehr so berauschend" seien wie früher. Das ist aber kein Grund zu verzagen.

Im zweiten Quartal könnte die deutsche Wirtschaft schneller gewachsen sein, als von vielen erwartet, glaubt Wohlrabe. Darauf deutet der starke Anstieg der Industrieproduktion im April und Mai hin. Außerdem zieht der Export wieder deutlich an, weder US-Präsident Donald Trump noch der Brexit konnten den deutschen Exporteuren bislang schaden. Das zeigen die gut gefüllten Auftragsbücher. Und dann ist da noch der boomende Bau. Die jüngsten Zahlen bestätigen das: Größere Betriebe sammelten im Mai Bestellungen für 6,3 Milliarden Euro ein. Einen höheren Auftragseingang in einem Mai hatte es zuletzt vor 22 Jahren gegeben. In den ersten fünf Monaten des Jahres summiert sich das Auftragsplus auf 6,6 Prozent. Wohlrabes Fazit: "Der deutschen Wirtschaft geht so bald nicht die Luft aus."

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