Konjunktur:Deutschland bekommt die Krise

Die Signale sind eindeutig: Deutschland steht am Anfang einer Rezession. Das Wirtschaftsklima verschlechtert sich, Investitionen sinken, große Konzerne drosseln die Produktion. Die Krise, die zunächst eine europäische war, ist nun auch eine deutsche.

Hans-Jürgen Jakobs

Für Deutschland ist es in den vergangenen Monaten auffallend gut gelaufen. Die Krise, das war die Sache der anderen. Die Bilder wütender Demonstranten kamen aus Madrid, Rom, Paris und Athen. Jugendliche Arbeitslosenrebellen in Spanien, die Reformlasten des Mario Monti, reiche Franzosen, die nach Belgien flüchten oder die griechische Regierung, die Zeit und Ideen, immer aber Geld braucht - diese Probleme waren weit weg, auch wenn es sich um die nahen europäischen Partner handelte. Deutschland, eine Festung des Glücks. Ein Hort der Stabilität, ringsherum das Chaos, dieser Eindruck drängte sich auf.

Diese Zeit der deutschen Sonderkonjunktur ist abgelaufen, es gibt jetzt eine europäische Union der Rezession und des Arbeitsplatzverlustes. In Deutschland bricht die Wirtschaftsleistung ebenfalls auf breiter Front ein, der ifo-Geschäftsklimaindex ist zum fünften Mal in Folge gefallen.

Der Autokonzern Daimler bereitet sein Personal auf eine Absatzflaute vor, auch VW und Porsche drosseln die Produktion, der Versandhändler Otto legt Firmen zusammen und spart sich 700 Leute, in den großen Stromkonzernen könnten im Zuge der Energiewende noch bis zu 20.000 Jobs verschwinden. Firmen wie Bosch Rexroth oder Thyssen-Krupp melden Alarm, die Exporte der Möbel- und Modewirtschaft leiden. Und da sind natürlich die großen Geldhäuser wie Deutsche Bank und Commerzbank, die nach Ende des Zocker-Zeitalters der Investmentbanker nach neuer Form suchen und erst einmal Modelle der Rationalisierung finden. Game over.

Es wird ein kühler Herbst

Sicher, die Dimensionen sind längst nicht mit dem tiefen Einbruch 2009 nach dem Crash der Finanzmärkte zu vergleichen. Richtig ist auch, dass eine Krise herbeigeredet werden kann, schließlich gilt der Ludwig-Erhard-Satz, wonach 50 Prozent der Wirtschaft Psychologie sei. Aber genauso gefährlich ist es, Gefahren zu ignorieren und in den Abschwung hinein eine heile Welt aufrechtzuerhalten. Die Anzeichen sind eindeutig: Die Investitionen sinken. Es wird ein kühler Herbst. Es wird dann mit Sicherheit weniger über griechische Privatisierungen oder spanische Anleihen geredet werden und mehr über heimische Job-Nöte. Die Euro- und Finanzkrise kommt nach Deutschland zurück. Eine Mini-Rezession sieht die internationale Organisation OECD voraus.

Widerlegt werden all die Neunmalklugen wie Bestsellerautor Thilo Sarrazin, die einem vorrechneten, dass Deutschland den Euro ja nicht brauche, weil der Anteil der Exporte in Euro-Länder in den Zeiten der Währungsgemeinschaft gesunken sei. Sie vergaßen zu betonen, dass die Quote weiter bei stolzen 40 Prozent liegt. Viele Firmen spüren, auch BMW zum Beispiel, dass Bestellungen aus Südeuropa eingebrochen sind. Und noch immer ist Frankreich das wichtigste Land für deutsche Exporteure; hier entscheidet sich Wohl und Weh.

Was China mit der deutschen Rezession verbindet

Im Übrigen lag der relative Rückgang des Handels mit der Euro-Zone in einem anderen Phänomen begründet: in dem geradezu irrwitzigen Sonder-Boom Chinas. Die Aufholjagd der Volksrepublik hat deutsche Auftragsbücher in Rekordtempo füllen lassen; Industrie-Ansiedlungen und Verkäufe dort blähten die Umsatzstatistiken auf. China war das Doping deutscher Manager. Das stürmische Wachstum aber ist passé, und die staatlich gelenkten Firmen der kommunistischen Wirtschaftsmacht wollen lieber selbst ihre Märkte erobern.

Die Antwort auf die neuen ökonomischen Bedrohungen liegt in Europa, und sie liegt in Deutschland. In der Stunde der gemeinsamen Krise ist die gemeinsame Reaktion der Wirtschafts- und Währungsunion nötig. Dazu gehören Wachstumsinitiativen für Zukunftsbranchen wie Elektro-Autos und erneuerbare Energien. Die Staats- und Regierungschefs werden über die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Industrien reden müssen, statt ihre Kraft in künstliche Rettungsaktionen von schiefen Staatshaushalten zu vergeuden.

Viele Firmen sind gut auf harte Zeiten eingestellt

Für Berlin heißt das: rechtzeitig auf die Talfahrt einstellen, Aktionspläne vorbereiten. Viele Firmen haben sich zwar selbst besser als früher auf härtere Zeiten eingestellt, sie sitzen oft auf hohen Kassenbeständen. Doch das heißt nicht, dass die Politik die Dinge treiben lassen kann.

Zum Arsenal der Möglichkeiten müsste eine erneute Ausweitung der Kurzarbeiter-Regelungen gehören, so wie es im Krisenjahr 2009 geschah. Damals hatte die Regierung von Angela Merkel beschlossen, im Notfall das Kurzarbeitergeld 24 Monate lang - und nicht sechs Monate - zu zahlen. Erst im Frühjahr war die großzügige Hilfe, bei der die Bundesagentur für Arbeit 60 Prozent des Nettoverdienstes übernimmt, zurückgedreht worden.

Sie könnte rasch wieder nötig werden. Spätestens dann, wenn die Bilder der Krise nicht mehr aus Südeuropa kommen, sondern aus Schweinfurt und Stuttgart.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: