Konjunktur:Chinas Wirtschaft lahmt

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Die Wachstumsaussichten sind nicht mehr rosig: Zu sehr hängt die chinesische Wirtschaftsleistung noch immer von Staatsausgaben, Exporten und einer starken Nachfrage nach Immobilien ab. (Foto: Bloomberg)
  • Das chinesische Bruttoinlandsprodukt ist in den ersten drei Monaten von 2015 so langsam gewachsen wie seit sechs Jahren nicht mehr.
  • Chinas Wirtschaft hat mit erheblichen strukturellen Problemen zu kämpfen - zum Beispiel ist sie noch immer zu sehr vom Staat und dem Export abhängig.
  • Dass sich die Situation noch verschlimmern wird, ist nicht auszuschließen. Chinas Regierung muss sich jetzt auf größere Schwierigkeiten vorbereiten.

Von Marcel Grzanna, Shanghai

Die Gründe für das langsamere Wachstum

Die chinesische Wirtschaft bleibt Klassenprimus unter den großen Volkswirtschaften der Welt. Das Nationale Statistikamt in Peking meldete ein Wachstum von 7,0 Prozent für die ersten drei Monate des Jahres: Bestmarke. Das war es dann aber auch schon mit den guten Nachrichten für die Regierung in Peking. Denn mit zunehmender Vehemenz spürt sie den Druck eines auslaufenden Wirtschaftsmodells.

Die jüngste Wachstumsrate reicht zwar aus, um Nordamerika, Europa oder die asiatischen Industrienationen Japan und Südkorea deutlich abzuhängen. Doch hinter der Zahl verbergen sich erhebliche strukturelle Probleme, die lange bekannt sind - aber bisher nicht gelöst werden konnten.

Zu sehr hängt die chinesische Wirtschaftsleistung noch immer von Staatsausgaben, Exporten und einer starken Nachfrage nach Immobilien ab. Servicesektor und Binnenkonsum legen zwar Jahr für Jahr zu, wie Daten aus dem Statistikamt belegen, doch taugen längst noch nicht als verlässliche Stützpfeiler für das fragile Konstrukt. "China sieht sich einem bislang nie dagewesenen konjunkturellen Druck ausgesetzt", sagt Analyst Liu Xintian vom Research-Center für Rohstoffe aus der Küstenprovinz Qingdao.

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Das Bruttoinlandsprodukt wuchs zwischen Januar und März so schwach wie seit sechs Jahren nicht mehr. Dabei sind die Rahmenbedingungen heute schon deutlich besser als damals, als gerade die globale Wirtschaftskrise ausgebrochen war. "Chinas erfolgreiches Kerngeschäft war lange Jahre die Manufaktur mit billigen Arbeitskräften. Jetzt genießen Länder in Südostasien diese Standortvorteile. Das neue Wachstum ist noch nicht stark genug", sagt Analyst Liu.

Selbst Normalität tritt nur ein, wenn sich China verändert

Bereits im vierten Quartal hatte sich die Dynamik auf 7,3 Prozent verlangsamt, die Regierung hatte ihr gestecktes Planziel für das vergangene Jahr damit verpasst. Als Reaktion schraubte Premierminister Li Keqiang die Erwartungen für 2015 weiter herunter und gab 7,0 Prozent als Maßgabe aus. Insofern stehen die Daten im Einklang mit der staatlichen Vorgabe. Doch der Regierungschef machte am Dienstag klar, dass eine weitere Negativentwicklung nicht auszuschließen ist. "China muss auf größere Schwierigkeiten vorbereitet sein", sagte Li.

Die Genossen freunden sich seit einer Weile zwangsläufig mit dem Ende ihres Hyperwachstums an. Die "neue Normalität" haben sie ausgerufen. Doch selbst Normalität tritt nur dann ein, wenn sich China verändert. Die Weltbank prophezeite der Volksrepublik am Montag in einer Analyse einen "delikaten Balanceakt". Die große Herausforderung für Peking bestehe darin, die Wirtschaftsleistung in den kommenden Monaten mit diversen Anreizen stabil zu halten, die damit einhergehenden Risiken aber zu kontrollieren. Analysten erwarten, dass Peking dieses Risiko eingehen wird, um die Schaffung von Arbeitsplätzen nicht zu gefährden - für Millionen von Wanderarbeitern und Universitätsabsolventen. Stimulierende Maßnahmen dürften auf keinen Fall zulasten von Strukturreformen gehen, heißt es seitens der Weltbank. Konkret dürfe vor allem die enorme Verschuldung der Kommunen nicht weiter wachsen.

Abwertung der Landeswährung?

Zinssenkungen und geringere Mindestreserven für Banken sind beliebte Werkzeuge der Zentralbank. Zweimal senkte sie seit Herbst vergangenen Jahres die Leitzinsen, um das Volumen der Kreditvergabe zu erhöhen. Doch weil lokale Kommunen strenger überwacht werden bei der Kreditaufnahme, ist viel Kapital nicht in der Realwirtschaft gelandet sondern am Aktienmarkt. Die Börse in Shanghai erlebt seit einigen Monaten eine Renaissance, obwohl die Wirtschaft lahmt.

Probates Mittel um zumindest der Exportwirtschaft wieder auf die Beine zu helfen, ist die Abwertung der Landeswährung Renminbi. Vize-Premierminister Wang Yang forderte seine eigene Regierung zu "unmittelbaren Maßnahmen" auf, um den Abwärtstrend im Außenhandel zu stoppen. Der Renminbi hat seit Jahresbeginn am meisten gegenüber dem Euro und dem japanischen Yen zugelegt. Den Exporteuren macht das zu schaffen, weil ihre Ware für ausländische Kunden so teurer wird. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Wechselkurs abgewertet wird", heißt es von Analysten der Investmentbank Goldman Sachs.

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