Komplexes Angebot für Teile von Alstom:Siemens stellt die Weichen

Joe Kaeser

Binnen sieben ein völlig neues Angebot gezimmert: Siemens-Chef Joe Kaeser.

(Foto: dpa)

Siemens fordert General Electric heraus: Der Aufsichtsrat entscheidet sich für ein verbindliches Angebot für den französischen Industriekonzern Alstom, das deutlich komplexer ist als das des amerikanischen Rivalen. Der Deal wäre für Siemens ideal.

Von Christoph Giesen

Gerade einmal sieben Wochen ist es her, da vermeldeten die Nachrichtenagenturen, der ewige Siemens-Rivale General Electric (GE) beabsichtige, große Teile des angeschlagenen französischen Industriekonzern Alstom zu übernehmen. Eine Neuordnung des europäischen Energiemarktes, sie stand kurz bevor. Über Monate waren die Verhandlungen zwischen Paris und Fairfield geheim geblieben, erst kurz vor knapp hatte jemand geplaudert.

Einen Tag vor der geplanten Verwaltungsratssitzung, bei der der Deal hätte abgenickt werden sollen, schrieb Siemens-Chef Joe Kaeser einen Brief. "Indication of Interest" stand darüber, auf zwei Seiten unterbreitete er den Franzosen ein unverbindliches Angebot. Kaeser schlug vor, die Siemens-Zugsparte gegen das Alstom-Energiegeschäft zu tauschen und obendrein noch Geld draufzulegen. Der Verwaltungsrat vertagte sich.

Sieben Wochen später ist das Ringen um Alstom nun endgültig zum Zweikampf erwachsen. Am Sonntagabend votierte der Siemens-Aufsichtsrat dafür, ein verbindliches Angebot für Alstom abzugeben. An diesem Montag wird der Münchner Konzern seine Offerte präsentieren, die ersten Details sind aber schon erkennbar: Siemens fordert General Electric heraus, nicht mit Geld - sondern mit einem kreativen Ansatz.

Der Deal wäre für Siemens ideal

Das Siemens-Angebot ist weitaus komplexer als die Offerte des Rivalen GE. Die Amerikaner bieten für das Energiegeschäft von Alstom 12,35 Milliarden Euro und wollen zudem eintausend neue Arbeitsplätze in Frankreich schaffen. Siemens legt weniger Barmittel auf den Verhandlungstisch - finanziell und vor allem aber politisch ist das Angebot der Münchner wohl dennoch attraktiver.

Am vergangenen Mittwoch hatte Siemens angekündigt, dass der japanische Wettbewerber Mitsubishi Heavy Industries mitbieten werde, eine deutsch-japanische Allianz also. In Paris kamen sofort die ersten Gerüchte auf, Siemens und Mitsubishi beabsichtigten, Alstom zu zerschlagen. Doch das Gegenteil davon ist richtig.

Aus Frankreich sickerten am Wochenende erste Details des Angebots durch, demnach soll Alstom als Marke erhalten bleiben. In Paris nennen sie es die "Dongfeng-Lösung". Gemeinsam mit dem chinesischen Autokonzern hatte sich der französische Staat vor wenigen Monaten am kriselnden Hersteller Peugeot beteiligt.

Die Alstom-Variante soll so funktionieren: Mitsubishi werde bei Alstom einsteigen und neues Kapital für das klamme Unternehmen bereitstellen. Von bis zehn Prozent ist zu hören. Denkbar wäre aber auch, dass Mitsubishi mehrere Gemeinschaftsunternehmen mit den Franzosen formt. In gleicher Höhe wie Mitsubishi wolle sich zudem der französische Staat bei Alstom einkaufen, das verrieten Gewerkschaftsvertreter nach einem Treffen mit Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg.

Deutsch-japanische Allianz

Ob alles am Ende tatsächlich so kommt, ist allerdings noch nicht klar. Deutlich sicherer hingegen ist, dass Siemens lediglich das Gasturbinengeschäft von Alstom übernehmen möchte und im ersten Schritt sogar darauf verzichtet, statt wie zunächst geplant, die eigene Bahnsparte an die Franzosen abzugeben.

Das könnte in einem zweiten, separaten Schritt erfolgen. Die Vorteile der deutsch-japanischen Allianz: Die Industriestandorte in Frankreich blieben vollständig erhalten, denn das Gasturbinengeschäft von Alstom ist im Wesentlichen in der Schweiz angesiedelt. Und kartellrechtliche Probleme wären nicht mehr zu erkennen.

Binnen sieben Wochen hat es Siemens-Chef Kaeser also geschafft, ein völlig neues Angebot zu zimmern und er ist dabei weitestgehend vom Interessenten zum Makler geworden. Die finanzielle Hauptlast müssten die Japaner stemmen. Sollte der Deal letztlich zustande kommen, wäre er aus Siemens-Perspektive ideal, sowohl psychologisch, wirtschaftlich als auch strategisch.

Zunächst einmal hätte Kaeser bewiesen, wie flexibel die einstige deutsche Industriebehörde unter seiner Führung doch geworden ist. Wenn GE den Zuschlag bekommen möchte, müssen die Amerikaner nacharbeiten. Die Münchner könnten sich selbst im Falle eines Zuschlags in den kommenden Monaten auf den eigenen Konzernumbau besinnen und müssten nicht ein angeschlagenes Unternehmen integrieren - vor allem Anlegervertreter hatten gewarnt, dass eine Alstom-Übernahme zu viele Kapazitäten im Management des Konzerns binden könnte.

Wie genau Kaeser sich die Zukunft von Alstom vorstellt, wird er in Paris berichten. Als sein Frankreich-Statthalter Christophe de Maistre Ende Mai vor den Industrieausschuss der Nationalversammlung zitiert wurde, gab er ein Versprechen ab: Wenn ein konkretes Angebot von Siemens vorliege, werde Kaeser persönlich vorbeikommen. An diesem Dienstag ist der Siemens-Chef nun vorgeladen. Nach etlichen Geheimterminen mal wieder ein öffentlicher Auftritt. Wann immer es der Terminkalender zuließ, war Kaeser nach Paris gereist und hatte am Deal gebastelt.

Unterstützung bekam er von seinem Aufsichtsratschef. Gerhard Cromme war intensiv in die Verhandlungen eingebunden. Und der ist inzwischen guter Dinge, dass das Konsortium um Siemens den Zuschlag bekommen wird. In einem Zeitungsinterview in Frankreich gab er sich optimistisch: "Ich habe in meinem Leben schon Hunderte Schlachten geschlagen, und die meisten habe ich gewonnen."

Am 23. Juni entscheidet der Alstom-Verwaltungsrat, bis dahin ist wieder General Electric an der Reihe. "Die Allianz von Mitsubishi mit Siemens verbessert Siemens' Angebot", sagte Frankreichs Finanzminister Michel Sapin am Sonntag im französischen Radio. "Ich glaube, dass GE die eigene Offerte ebenfalls nachbessert."

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