Kommunale Finanzen:Steuer-Paradox

Kommunale Finanzen: Spitzenreiter bei der Gewerbesteuer: Oberhausen (im Hintergrund das Gasometer, Symbol der Stadt).

Spitzenreiter bei der Gewerbesteuer: Oberhausen (im Hintergrund das Gasometer, Symbol der Stadt).

(Foto: Frank Augstein/AP)

Immer mehr Kommunen müssen die Gewerbe- und die Grundsteuer kräftig erhöhen, um finanziell über die Runden zu kommen. Das zeigt eine Studie. Dabei wissen die zuständigen Kämmerer, dass sie sich damit am Ende selbst Schaden zufügen.

Von Nora Kolhoff

Viele Kommunen sahen sich im vergangenen Jahr gezwungen, ihre Steuern zu erhöhen, um sich finanzieren zu können. Die Gewerbesteuer und die Grundsteuer B, die auf bebaute oder zu bebauende Grundstücke entfällt, sind vielerorts stark gestiegen. Das geht aus einer Studie der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young aus dem ersten Halbjahr 2015 hervor. Einige Kommunen betrachten das mit Sorge. Denn zum einen wächst die Kluft zwischen verschiedenen Bundesländern, zum anderen könnten gestiegene Gewerbesteuern Unternehmen abschrecken.

Laut der Studie hat jede fünfte Kommune in Deutschland im vergangenen Jahr die Grundsteuer B erhöht. Die Gewerbesteuer wurde von 1 558 der etwa 11 100 Kommunen angehoben, nur 35 senkten sie. Während in Bayern und Baden-Württemberg nicht einmal jede zehnte Kommune die Grundsteuer erhöht hat, waren es in Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, Hessen oder dem Saarland mehr als die Hälfte. Gerade in NRW kämpfen klamme Kommunen um Einnahmequellen. Hausbesitzer und Mieter müssten dort mit Abstand am meisten zahlen, heißt es in der Studie, der Hebesatz der Grundsteuer sei am höchsten. Hebesätze sind die Faktoren, mit denen die Steuermessbeträge multipliziert werden.

Im nordrhein-westfälischen Troisdorf zum Beispiel liegen die Hebesätze deutlich über dem Bundesdurchschnitt: Hier mussten sie im letzten Jahr sowohl die Grundsteuer B als auch die Gewerbesteuer anheben. "Dieser Weg ist langfristig nicht der richtige", findet ausgerechnet der dortige Stadtkämmerer Horst Wende. Denn der Großteil dieser Steuereinnahmen werde später durch den kommunalen Finanzausgleich wieder verloren gehen. Trotzdem ist die Kommune diesen Schritt gegangen. Der Grund: "Wir müssen immer mehr Aufgaben von Bund und Ländern übernehmen, ohne eine angemessene Gegenzahlung zu bekommen." Als Beispiele nennt Wende neue Regeln bei der Inklusion sowie die Frage der Flüchtlingsunterbringung.

Auch bei der Gewerbesteuer führt NRW die Liste an. Die Stadt Oberhausen im Ruhrgebiet zum Beispiel erhebt unter den größeren Städten den höchsten Hebesatz. Kurzfristig können Kommunen sich mit der Anhebung der Gewerbesteuer entschulden. Langfristig befürchten einige, dass Firmen abwandern könnten. Gewerbesteuern seien nicht der allein ausschlaggebende Faktor für die Ansiedlung von Unternehmen, glaubt Stadtkämmerer Wende. Wichtiger seien zum Beispiel die Nähe zu Ballungszentren, Kunden, eine gute funktionierende Infrastruktur und Verkehrsanbindung. Natürlich seien die Unternehmen über Steuererhöhungen aber nicht erfreut. "Immer höhere Steuersätze, immer weniger Betriebe", sagt hingegen Kathrin Andrae von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Die Gewerbesteuer sei ein wichtiges Kriterium.

Niedrigere Steuersätze, mehr Betriebe - dafür steht das hessische Eschborn. Die Stadt erhebt bundesweit am wenigsten Gewerbesteuern. Das macht sich bezahlt: Bei einer Einwohnerzahl von etwas über 20 000 haben sich über 4 000 Unternehmen in der Stadt angesiedelt, darunter die Deutsche Börse oder die Autovermietung Hertz.

Eine Beispielrechnung der DIHK zeigt, dass ein kleineres Unternehmen in Eschborn fast 50 000 Euro weniger Steuern zahlen müsste als in Oberhausen. Die Gewerbesteuer macht für die Kommunen laut der Studie fast die Hälfte ihrer Einnahmen aus. Weitere 14 Prozent kommen von der Grundsteuer.

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