Kommentar:Zurück in der Krise

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Eine Weile sah es so aus, als hätte die Commerzbank das Schlimmste jetzt hinter sich. Dem ist nicht so. Jetzt musste sie ihr Gewinnziel für dieses Jahr kassieren.

Von Harald Freiberger

Eine Zeit lang sah es so aus, als ob die Commerzbank aus dem Gröbsten heraus wäre.

Doch der Eindruck täuschte. Deutschlands zweitgrößtes Geldhaus ist zurück in der Krise, das zeigte sich in den vergangenen Tagen. Erst offenbarte der Stresstest am Wochenende, dass sie das am schwächsten kapitalisierte deutsche Kreditinstitut ist. Schwächer noch als die Deutsche Bank, schwächer sogar als die meisten italienischen Großbanken, die zuletzt so sehr ins Gerede gekommen sind. Am Montag kassierte die Commerzbank dann auch noch ihr Gewinnziel von einer Milliarde Euro für dieses Jahr. Der Aktienkurs stürzte ab und erreichte am Mittwoch ein neues Rekordtief. Im Vergleich zum Zwischenhoch vor zwei Jahren hat sich der Wert des Papieres mittlerweile gedrittelt.

Die Investoren haben der Commerzbank das Vertrauen entzogen. Sie glauben nicht daran, dass das Institut die Wende schafft. Dies ist das sichtbarste Zeichen der Krise. Und es sieht nicht so aus, als sei das ein vorübergehendes Phänomen. Es handelt sich um eine strukturelle Krise, für die es keine einfachen Lösungen gibt, sondern wahrscheinlich nur sehr harte.

Das ist dramatisch, denn zuletzt hätte man fast vergessen können, dass die Wörter "Commerzbank" und "Krise" über Jahre untrennbar miteinander verbunden waren. Auf einmal tauchten da völlig ungewohnte Wörter wie "Dividende" oder "Milliarden-Gewinn" auf. Die Schlagzeilen als Krisen-Bank Nummer eins beherrscht seit gut einem Jahr die Deutsche Bank.

Nun aber drängt sich die Commerzbank wieder in den Vordergrund. Das Institut hat im Wesentlichen drei Möglichkeiten, um Geld zu verdienen: im Geschäft mit Privatkunden, im Geschäft mit Unternehmen und im Investmentbanking. In allen drei Bereichen gingen die Gewinne in den letzten Quartalen zurück, und nichts deutet darauf hin, dass sich dieser Trend umkehren könnte. Die Commerzbank hat mit gutem Marketing zuletzt zwar viele neue Privatkunden gewonnen, die dauerhaft niedrigen Zinsen führen aber dazu, dass sich mit diesen Kunden immer weniger verdienen lässt. Dasselbe gilt für das Geschäft mit dem Mittelstand, die einstige Paradedisziplin der Bank, die in den Jahren der tiefen Krise das Überleben sicherte. Doch nun fragen die deutschen Unternehmen kaum mehr Kredite nach, sie finanzieren sich anderweitig oder sitzen auf hohen Geldreserven. Das Investmentbanking hat die Commerzbank schon stark zurückgefahren, die derzeit wackeligen Börsen verringern die Gewinnchancen zusätzlich.

Es fällt schwer, die Fantasie dafür aufzubringen, woher künftig Gewinne kommen sollen

Es fällt schwer, die Fantasie dafür aufzubringen, woher künftig die Gewinne kommen sollen. Dabei ist die Kapitaldecke schon dünn. Die Gerüchte, dass die Bank um eine weitere Kapitalerhöhung nicht herumkommt, verdichten sich, auch wenn der Finanzchef das entrüstet von sich weist. Aus Angst vor einer Kapitalerhöhung scheuen Investoren die Aktie - ein Teufelskreis, der an die dunklen Zeiten nach der Quasi-Pleite 2008 erinnert. Und über all dem steht die Bedrohung, dass die Regulierung die Anforderungen an das Eigenkapital noch verschärfen könnte.

Schon wenige Monate nach seinem Amtsantritt steckt Vorstandschef Zielke in einer Situation, in der er das Überleben seines Instituts sichern muss. Aus der Bank ist zu hören, dass er an einer neuen Strategie arbeitet, die er Ende September verkünden will. Es gibt schon erste Stimmen, die ihn zur Eile drängen, aber vielleicht tut er gut daran, die Situation gründlich zu analysieren, nichts zu überstürzen, zu entscheiden und den Plan dann durchzuziehen. Abschreckendes Beispiel ist hier die Deutsche Bank, die bei der Bewältigung ihrer Krise schon wieder strategische Schwenks vollzogen hat, für die eigentlich keine Zeit mehr ist.

Zielke wird nicht darum herumkommen, die Commerzbank kleiner zu machen. Es ist zu vernehmen, dass die Zahl der Mitarbeiter im Firmenkunden-Geschäft um bis zu ein Viertel abgebaut werden könnte. Die Kosten sind in der gesamten Bank viel zu hoch, besonders verglichen mit anderen europäischen Großbanken. Es ist ein Teil der Krise der Bank, dass sie in einer prosperierenden Volkswirtschaft kaum Gewinne macht, während Institute in wirtschaftlich schlechter dastehenden Ländern wie Frankreich oder Spanien besser dastehen.

Zielkes größte Herausforderung ist es zu sparen und seine Bank dabei nicht kaputtzusparen. Denn anders als Online-Banken braucht sie ihre Filialen und vor allem Kunden, die diese aufsuchen und in ihnen Geschäfte abschließen. Die Aufgabe wirkt wie die Quadratur des Sechsecks, aus dem das Firmenlogo besteht.

© SZ vom 04.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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