Kommentar:Zocken mit Youtube

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Auf Youtube erklären Laien ihren Zuschauern, wie sie ihr Geld anlegen können. Man sollte die Finanzblogger nicht generell verteufeln. Um die Nutzer zu schützen, müssen aber viele ran: die Eltern, der Staat und Verbraucherschützer.

Von Felicitas Wilke

Youtuber sind Popstars des 21. Jahrhunderts. Sie geben ihren oftmals jungen Fans Lebensweisheiten aller Art an die Hand, sie sind zu Gast auf roten Teppichen und werben für große Unternehmen. Inzwischen versorgen Youtuber und Blogger die Menschen auch mit Finanztipps. Man sollte diese Angebote nicht per se verteufeln. Dennoch müssen Eltern und Institutionen die Gefahren, die sie bergen erkennen - und handeln.

Die Finanz-Blogger erklären auf ihren Webseiten oder ihren Youtube-Kanälen zum Beispiel, wie man Aktien kaufen kann oder was hinter einer Dividende steckt. Sie informieren, sie ordnen ein; teilweise durchaus differenziert. Manche berichten stolz von ihren Erfolgen am Kapitalmarkt, andere rufen aber auch ungehemmt dazu auf, sich auf hoch riskante Hebelprodukte einzulassen.

Viele der Blogger sind Laien, die nie einen branchennahen Beruf erlernt haben, sondern sich selbst ins Thema eingelesen und einfach mal gemacht haben. Sie drücken sich aus wie Schulfreunde oder Kommilitonen und nicht wie Bankberater. Es mag viele befremden, dass junge Menschen auf Laien vertrauen, die sie nicht mal persönlich kennen. Doch die Youtuber sind nun mal da. Jetzt gilt es, die Nutzer vor dubiosen Anbietern zu schützen.

Eltern sollten ihren Kinder schon frühzeitig erklären, dass Blogger vor allem Geschäftsleute sind

Erstens sind die Eltern gefragt. Auch wenn junge Menschen erst dann im eigenen Namen mit Wertpapieren handeln dürfen, wenn sie volljährig sind und ihre Eltern nicht mehr viel zu sagen haben: Sie können ihre Kinder schon frühzeitig sensibilisieren und ihnen klar machen, dass die Menschen, die über den Computer-Bildschirm flimmern, nicht gute Freunde sind, sondern Geschäftsleute mit eigenen Interessen. In diesem Punkt unterscheiden sich Kanäle, in denen Youtuber über Mode und Lifestyle sprechen, nicht wesentlich von ähnlichen Angeboten, bei denen es um Finanzen geht. In beiden Fällen reden Selbstdarsteller über Themen, die sie interessieren und bekommen (sofern sie viele Zuschauer begeistern) Geld von Sponsoren. Sie agieren also nicht unabhängig. Wenn ein 13-jähriges Mädchen die Beauty-Bloggerin Bibi anhimmelt, ist den Eltern zuzumuten, sich über mögliche Interessenskonflikte zu informieren und der Tochter eine gesunde Portion Skepsis nahezubringen. Selbst wenn sie nur mit einem Ohr hinhört: Ein paar Jahre später, wenn sie nicht mehr Bibi, sondern den Aktien-Youtubern Kolja, Chris oder Lukas bei der Arbeit zusieht, wird sie das nicht völlig arglos tun.

Zweitens müssen endlich mehr Landesregierungen an die Lehrpläne ran und Wirtschaft oder Verbraucherkunde als Schulfach etablieren. Derzeit rutschen die Youtuber in eine Wissenslücke, die eigentlich auch der Staat füllen müsste. Heute lernen die meisten Menschen weder in der Schule, wie man sein Geld anlegen kann, noch erklärt ihnen während der Ausbildung oder an der Uni jemand, was der Unterschied zwischen passiven und aktiven Fonds ist und bei welchen Finanzprodukten die Anleger im schlimmsten Fall alles verlieren können.

Auch von ihren Eltern dürfen junge Menschen keine Hilfe erwarten, denn den meisten von ihnen ging es Jahrzehnte früher nicht anders. Zumindest die Grundlagen der Geldanlage müssten Jugendliche in der Schule lernen, um die Inhalte aus dem Netz später kritisch hinterfragen zu können. Statt Lücken zu füllen, müssen Aktien-Youtuber zur - teilweise durchaus sinnvollen - Ergänzung werden.

Drittens sollten Institutionen und Gesetzgeber die neue Generation der Finanzratgeber genau beobachten. Die Verbraucherzentralen etwa weisen seit Jahren auf dubiose Anbieter auf dem grauen Kapitalmarkt hin und leisten Aufklärungsarbeit. Diese wäre auch vonnöten, wenn es darum geht, schwarze Schafe unter den Youtubern und Bloggern zu enttarnen.

Gegebenenfalls muss auch der Gesetzgeber ran. Die Vorschriften, die regeln, was Youtuber und Blogger dürfen, ohne im Verlustfall haften zu müssen, sind derzeit vage formuliert. Die digitalen Ratgeber können nur dann zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie ihren Nutzern individuelle Kaufempfehlungen statt allgemeiner Tipps geben. Wo das eine aufhört und das andere anfängt, ist bislang nicht klar geregelt.

Die Finanzberater aus dem Internet haben das Potenzial, junge Menschen an Geldthemen heranzuführen und vielleicht sogar ältere Generationen mitzureißen. Das ist eine gute Nachricht - solange sich die oftmals jungen Nutzer bewusst machen, dass die wenigsten Youtuber eine völlig unabhängige Meinung unters Volk bringen, und manche für gefährliche Produkte werben. Beides Eigenschaften, die sie mit vielen professionellen Finanzberatern gemein haben.

© SZ vom 31.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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