Kommentar:Warum Deutschlands Autoindustrie crashen könnte

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Zukunft der Automobilindustrie: Szene beim Zulieferer ZF in Friedrichshafen (Archiv) (Foto: Felix Kästle/dpa)

Die Automobilindustrie muss dringend über Elektroautos nachdenken. Vielen Zulieferern dürfte dazu die Kraft fehlen - zahllose Jobs sind in Gefahr.

Kommentar von Thomas Fromm

Der Chef des Autozulieferers ZF Friedrichshafen, Stefan Sommer, hat neulich etwas Interessantes gesagt. In zehn Jahren werde "keiner mehr nur noch über Fahrwerk, Motor oder Getriebe reden". Was er meinte, war: Es ist an der Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, worüber man in einigen Jahren reden wird, Elektroautos zum Beispiel.

Nun ist ZF ein großer Autozulieferer, der drittgrößte in Deutschland, und da ist es einfach, das Thema zu wechseln. Zulieferer wie ZF oder auch Bosch und Continental können die nächsten Jahre nutzen, um sich neu auszurichten - und sie haben längst damit angefangen, ein altes Geschäftsmodell durch ein neues zu ersetzen. Kleinere Autozulieferer werden sich da schwerer tun. Das Problem aber ist: Wer nicht rechtzeitig mitreden kann, ist aus dem Rennen. Vielleicht für immer.

Es ist der zurzeit wohl am stärksten unterschätzte Teil des Mobilitätswandels: Die Gesellschaft und ihre Fahrgewohnheiten ändern sich, die Autokonzerne ändern sich - viele kleine Zulieferer aber werden diese Veränderung kaum überleben können. In den nächsten Jahren stehen Tausende Jobs auf der Kippe.

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Das Augenmerk gilt in diesen Tagen den Autokonzernen. Kriegen die noch die Kurve hin zum Elektroauto, jetzt, nachdem sie jahrelang vor allem an ihren Benzinern und Diesel-Motoren gearbeitet haben? Reicht die Zeit? Die Antwort ist: Es wird nicht leicht, aber wenn sie die verbleibende Zeit nutzen, kriegen sie das hin - denn sie haben die nötigen Reserven, um das Geschäftsmodell zu wechseln.

Die wirkliche Frage aber ist: Was ist mit den Hunderten Zulieferern, die für einen großen Teil eines Autos stehen? Die all ihre Komponenten ans Band liefern, wo der Hersteller dann unter seinem Namen die Autos baut. Es sind oft die Zulieferer, die an andere Zulieferer liefern, die dann wiederum. . . Jahrelang haben diese Firmen im Schlepptau anderer Zulieferer und damit der großen Hersteller gearbeitet, sie waren Teil der langen Kette, wenn es darum ging, aus Verbrennungsmotoren noch mehr rauszuholen. Sie haben die Aufträge der Großen abgearbeitet, und viele von ihnen haben nie etwas anderes gemacht. Deshalb ist es jetzt so schwierig: Die Elektroautos von morgen sind andere Autos als die, die wir heute kennen. Ein Drittel dessen, was so ein Auto mit Verbrennungsmotor ausmacht, wird künftig nicht mehr gebraucht. Es geht nicht nur ums Auspuffrohr. Es geht um Dinge wie Nockenwellen und Einspritzpumpen. Klingt banal? Viele Firmen leben von solchen Teilen. Wer heute Kolben macht, kann nicht mal eben auf Lithium-Ionen-Batterien umschwenken.

Wenn die Konzerne sparen, bleibt für die Zulieferer weniger übrig. So funktioniert das Geschäft

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Nicht wenige gehen schon geschwächt in die Zukunft: Denn mögen in der deutschen Autoindustrie in den vergangenen Jahren auch Traum-Renditen erwirtschaftet worden sein - bei den kleinen Lieferanten ist nicht viel davon hängengeblieben. Im Gegenteil. Viele beklagen, die hohen Gewinne der Großen seien eben auch die immer niedrigeren Renditen der Kleinen gewesen. Immer dann, wenn die Großen sparen, bleibt für die Kleinen weniger übrig, so funktioniert das Geschäft.

Die großen Aktionäre der großen Autobauer mögen es, wenn ihre Investments große Gewinne abwerfen. Nicht zufällig schauen die Zulieferer daher gerade auf Volkswagen: zum einen, weil sie nicht wissen, wie es mit dem Diesel weitergeht. Zum anderen, weil sie mit neuen harten Sparverhandlungen rechnen müssen. Weniger Geld im Rücken, das heißt dann auch: Der nötige Umbau lässt sich noch schwerer finanzieren.

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Noch ist die Zeit nicht abgelaufen. Der Weg vom Verbrennungsmotor über den Hybrid hin zum reinen Elektroantrieb wird noch an die 15 Jahre dauern. In den Produktzyklen der Autoindustrie sind dies: zwei Generationen. Es sind dies Jahre, in denen die Zulieferer an zwei Fronten kämpfen müssen, wollen sie überleben: Sie müssen weiter in ihren alten Geschäftsfeldern unterwegs sein, um ihr Geld zu verdienen. Und sie müssen schon heute entscheiden, wo sie in Zukunft hinwollen. Nicht mehr der sauberere Diesel-Motor wird irgendwann gefragt sein, sondern neue Hochleistungsbatterien mit größerer Reichweite, immer leichtere Karosserien und neue digitale Funktionen. Der Getriebehersteller ZF hat mit seiner Milliardenübernahme des US-Zulieferers TRW, eines Experten für Sicherheitstechnologien, vorgemacht, wie es geht. Allerdings: Wer von den Zulieferern kann sich so was schon leisten?

© SZ vom 23.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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