Kommentar:Werdet selbständig!

Katharina Kutsche Illustration

Katharina Kutsche hat als Polizistin Uniform getragen: 1996 grün, 2008 blau.

Nicht einmal 15 Prozent aller Start-ups werden von Frauen gegründet. Wenn sich das ändern soll, müssen Frauen sich mehr trauen, auf Strukturen in Firmen können sie nicht setzen.

Von Katharina Kutsche

Es tut sich was in der Technik-Branche. Derzeit vergeht keine Woche, in der nicht Frauen von ihren teils unschönen Erlebnissen im Silicon Valley und darüber hinaus berichten. So verändern sie, wie diese von Männern geprägte Welt wahrgenommen wird. In dieser Woche war Ähnliches auch aus der Krypto-Szene zu hören, wo ein Männeranteil von 95 Prozent herrscht. Managerinnen, die bereits vor Jahren in Blockchain und Bitcoin investierten, appellieren nun an Frauen, sich zu trauen und sich mit jenen Trends zu beschäftigen, ohne ständig die eigene Qualifikation zu hinterfragen.

Das sind Hinweise, die Frauen regelmäßig im Beruf hören, das zeigen Gespräche mit Kolleginnen aus unterschiedlichsten Branchen: Prescht vor, fahrt die Ellenbogen aus, wenn ihr vorankommen wollt! Diese Sätze haben eine ärgerliche Doppelbedeutung. Sie kommen, meist von Männern, als Ratschlag daher, sollen aber gleichzeitig entschuldigen, warum es bei Frauen mit der Karriere angeblich nicht klappt. Und sie suggerieren, wer sich anzupassen hat, um eine Branche von innen heraus zu verändern: die Frauen. Im normalen Arbeitsleben sind solche Ratschläge ziemlich daneben, doch bezogen auf die Gründerszene muss man sagen - die Krypto-Expertinnen haben leider recht.

Wer als Gründer oder Investor Trends früh erkennt, profitiert am meisten

Wer in einem Betrieb angestellt ist, hat einen Anspruch darauf, dass Vorgesetzte eine Unternehmenskultur schaffen, in der nicht nur Frauen, sondern auch Männer ihr Verhalten überdenken. Wenn Frauen dort immer wieder erklärt wird, sie müssten sich halt selbst mehr zutrauen, ist das eine Unverschämtheit. Es ist schließlich durchaus positiv, nicht überall und sofort "Hier" zu schreien, sondern stattdessen den Kopf einzuschalten und abzuwägen. In einem Unternehmen können sich Frauen aber zumindest formal wehren, sich an eine Gleichstellungsbeauftragte wenden, einen Betriebsrat gründen oder Netzwerke bilden - auch wenn man nicht so naiv sein darf zu glauben, dass das immer hilft.

In der Gründerszene funktioniert das anders. Zu Recht weisen die Krypto-Managerinnen darauf hin, dass, wer frühzeitig einen möglichen Trend erkennt und einsteigt, sei es als Gründer oder Investor, am meisten profitiert. Mit dem Kapital, das er oder sie damit gewinnt, wird der nächste Trend gesetzt. Je seltener Frauen in dieser Dauerschleife unterwegs sind, desto weniger bestimmen sie den Kurs mit, inhaltlich wie kulturell.

In der Start-up-Szene, und die ist ja oft in der Technik-Branche verankert, beeinflusst Themen und Kultur vor allem, wer Risiken eingeht, ein Unternehmen gründet oder in eine Firma investiert. In Deutschland waren 2017 nur 14,6 Prozent der Gründer weiblich, im Gründerland USA auch nicht mehr. Weltweit machen Investorinnen nur einen Anteil von acht Prozent aus. Das ist einfach zu wenig, um Themen zu setzen. Oft wird dann gesagt, das liege am mangelnden weiblichen Interesse an Tech-Themen. Aber die Mehrzahl aller Gründer hat nicht Informatik studiert, sondern Wirtschaft. Das ist ein Studienfach, in dem Frau und Mann zu gleichen Teilen vertreten sind. Und Programmierer kann man einstellen.

Frauen müssen sich mehr mit vermeintlich nerdigen Themen beschäftigen. Und sie sollten mehr Mut haben, ein Start-up zu gründen. Vieles von dem, was ein paar Männer vor 40 Jahren in den Garagen ihrer Eltern entwickelt haben, bestimmt heute unser Leben und Arbeiten. Die gleichen Männer haben mit ihren Einnahmen milliardenschwere Stiftungen gegründet und bestimmen so, was morgen wichtig ist. Wenn Frauen dieses Morgen mitgestalten wollen, müssen sie in den Kreislauf einsteigen und ihre Position erkämpfen. Das wird ihnen, so ungerecht das auch ist, niemand abnehmen.

Von selbst ändert sich die Branche nicht.

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