Kommentar:Wer zu Putin und Trump reist

Bayerns Ministerpräsident Seehofer will ins Weiße Haus - was derzeit die Kanzlerin meidet. Er darf das, aber geht damit an eine heikle Grenze.

Von Marc Beise

Donnerwetter, dieser Seehofer! Ganz Deutschland ist empört über den neuen amerikanischen Präsidenten, das Land hat nun einen Bundespräsidenten, der den Kandidaten Donald Trump einmal einen "Hassprediger" genannt hat, Bundeskanzlerin Angela Merkel taktiert vorsichtig im Umgang mit dem Herrn im Weißen Haus - und der bayerische Ministerpräsident möchte an all diesen Überlegungen vorbei mal eben bei Trump vorbeigucken - mithilfe deutscher Geschäftspartner des Unternehmers Trump. Die einen denken: Jetzt hört's endgültig auf, die anderen: Donnerwetter, der Seehofer traut sich was. Aber darf er das auch?

Man könnte vermuten: nein. Denn die Außenpolitik wird typischerweise von Bundesorganen geprägt, und das gilt nicht nur für Fragen von Krieg und Frieden, von Militär und Entwicklungshilfe. Sondern auch für Wirtschaft und Außenhandel. Nicht von ungefähr sind Reisen von Bundesministern und erst recht der Bundeskanzlerin häufig als große Delegationsreisen angelegt, an denen Wirtschaftsvertreter teilnehmen; die Unterzeichnung von Geschäftsverträgen oder Absichtserklärungen sind üblich. Die Politik öffnet Türen, durch die Unternehmer und Manager dankbar gehen.

Der Ministerpräsident will ins Weiße Haus. Eigenartig nur: Bisher hat er die USA gemieden

Diesem Wirtschaftsaustausch im Konkreten sind sogar im Allgemeinen Kompetenzen der Europäischen Union übergeordnet, die für die gemeinsame Handelspolitik zuständig ist und beispielsweise Handelsverträge verhandelt wie das geplante und nun mindestens vorläufig gescheiterte TTIP-Abkommen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten.

Allerdings birgt die föderale Struktur der Bundesrepublik Deutschland ein paar Besonderheiten. Für die (Glied-)Staaten, die anders als in zentralistischen Systemen umfassende eigene Rechte und Pflichten haben, gehört die Pflege des Standorts und der heimischen Wirtschaft zu den wichtigsten Aufgaben. Deshalb brechen zurecht auch Ministerpräsidenten und Landesminister zu Delegationsreisen auf, und auch sie haben Wirtschaftsvertreter mit im Schlepptau.

Ein Landeswirtschaftsminister ist typischerweise Wirtschaftsförderer und Kümmerer für die Unternehmen im eigenen Sprengel - anders als der Bundeswirtschaftsminister, der nach dem Vorbild des ersten Amtsinhabers Ludwig Erhard vor allem die großen Linien ziehen sollte, die Leitplanken, die das freie Spiel des Wirtschaftslebens ermöglichen und begrenzen.

Die besten Bundeswirtschaftsminister waren jene, die sich auf nationaler Ebene als Anwalt für die Marktwirtschaft verstanden haben, als ordnungspolitisches Korrektiv in einem Bundeskabinett von Machern. Die besten Landesminister dagegen waren Gestalter, die Industrie und Dienstleister ins Land geholt und sie dort gehalten haben.

Der Freistaat Bayern ist hier seit Jahrzehnten besonders erfolgreich. Das lag an zupackenden Wirtschaftsministern wie Otto Wiesheu (Amtszeit 1993 bis 2005) und an Ministerpräsidenten wie Edmund Stoiber (1993 bis 2007) und davor an Franz Josef Strauß, der mit und ohne Amt Weichen stellte im Freistaat, politisch oft hochumstritten, aber wirtschaftlich erfolgreich. Seitdem hat der Freistaat im Außenhandel und damit notwendig auch auf dem Feld der internationalen Beziehungen besonders starke Interessen. Wenn heute ein zunehmender Protektionismus beklagt wird, dann ist das für Bayern nicht abstrakt, sondern für die hier ansässigen Unternehmen und ihre Mitarbeiter besonders bitter.

Es ist also verständlich, dass Seehofer den direkten Draht zu Führern mächtiger und einflussreicher Wirtschaftsnationen sucht. Seine wiederholten Reisen nach Moskau zu Wladimir Putin - die nächste soll bereits im März erfolgen - mögen die Bundesregierung schmerzen, sie sind erlaubt und im Interesse von in Bayern ansässigen Unternehmen und Konzernen sinnvoll.

Auch ein Besuch bei Donald Trump ist nicht grundsätzlich verwerflich, so wenig wie sich andere deutsche Politiker einen Boykott der wichtigsten Wirtschaftsnation der Welt, die mehr ist als ihr Staatsoberhaupt, leisten können. Ein (bayerischer) Sonderweg hat allerdings dort seine Grenzen, wo nicht mehr das wirtschaftliche Interesse im Vordergrund steht, sondern der politische Egotrip eines Landespolitikers. Diese Grenze zu erkennen, mag bei Seehofer manchmal schwierig sein. In Sachen Trump spricht gegen den Mann aus München, dass er - man mag es gar nicht glauben - in seiner gesamten Amtszeit seit 2008 kein einziges Mal in den USA war. Dann, denkt man sich, muss es auch nicht gerade jetzt sein.

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