Kommentar:Wenn Lokalpolitiker einen Weltkonzern führen

Die Krise bei ZF erinnert an die Probleme von Volkswagen. Um im wachsenden Wettbewerb in der Autobranche überleben zu können, braucht das Stiftungs-Unternehmen dringend eine neue Struktur.

Von Stefan Mayr

Ausgerechnet im erfolgreichsten Geschäftsjahr der 102-jährigen Firmengeschichte scheppert und kracht es bei ZF, und daran trägt auch der zurückgetretene Chef Stefan Sommer Mitschuld. Denn wer öffentlich auf seine Eigentümer losgeht, der bettelt auch ein Stück weit um den Rauswurf. Hauptgrund des Zoffs ist aber das überholte Konstrukt des Stiftungs-Unternehmens und wie es Oberbürgermeister Andreas Brand ausfüllt. Wenn Gemeinderat und OB einer 60 000-Einwohner-Stadt das Sagen über einen Weltkonzern mit 140 000 Mitarbeitern haben, dann kann das kaum gut gehen.

Das Geschehen erinnert fatal an die Volkswagen AG, die ein ähnliches Problem hat mit dem Land Niedersachsen als Eigentümer; die SPD-Regierung hat einerseits die Arbeitsplätze im Blick und muss andererseits auf effektive Strukturen achten - ein klassischer Interessenskonflikt. In Friedrichshafen ist die Lage genauso kompliziert: Das Management muss global und visionär denken, um im immer härter werdenden Wettbewerb überleben zu können. Die von der Stadt beherrschte Eigentümerin hat dagegen vor allem den eigenen Kirchturm und die nächste Wahl im Kopf. Diese Situation macht beide Seiten zu Kontrahenten. Die einen wollen Geld in eine Software-Schmiede in Indien investieren, die anderen in die Fabrik in Friedrichshafen. Aber Elektroautos brauchen keine Zahnräder. Deshalb ist es höchste Zeit, das Firmenkonstrukt den Anforderungen der Zeit anzupassen. Sonst wird es bei ZF nicht nur weiter scheppern und krachen, sondern irgendwann den großen Knall geben.

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