Finanzbranche:Was Banken jetzt tun müssen

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Frankfurt am Main: Neben anderen Orten ein zentraler Platz der globalen Finanzwirtschaft (Foto: Bloomberg)

Um sich neue Legitimität zu erarbeiten, reicht es nicht, die strengeren Vorgaben der Aufsichtsbehörden zu beachten. Banken brauchen einen drastischen Kurswechsel.

Kommentar von Claus Hulverscheidt

Es ist nicht so, dass niemand den großen Banken der Welt in den vergangenen Jahren die Leviten gelesen hätte. Im Gegenteil, die Liste der Ankläger ist lang, sie reicht von Politikern über Journalisten bis zu Professoren - und nicht selten sind die schärfsten Kritiker gerade jene, die sich auf den rauschenden Empfängen der Vorkrisenjahre noch flink aufs Foto gedrängt hatten, wenn ein Promi-Banker des Weges kam. In vielen Geldhäusern wird über diese Sorte von Finanzexperten zu Recht nur noch geätzt.

Umso bemerkenswerter ist, dass die jüngste Attacke auf die Branche nicht von den üblichen Verdächtigen kommt, sondern aus den Tiefen der Finanzwirtschaft selbst. Die Analyse einer Gruppe ehemaliger Top-Manager und -Notenbanker unter Leitung von Ex-EZB-Chef Jean-Claude Trichet zeigt ohne falsche Rücksichtnahme auf, was ungeachtet aller bisherigen Reformerfolge sieben Jahre nach Ausbruch der schwersten Weltfinanzkrise aller Zeiten noch im Argen liegt.

Was darf ein Kreditinstitut eigentlich?

Vor allem aber beschreibt der Bericht den moralischen Niedergang einer Branche, die sich - getrieben durch eine in der Rückschau ebenso fahrlässige wie naive Deregulierungsgläubigkeit von Politik, Wissenschaft und Medien - verselbständigt und ihre Daseinsberechtigung damit aufs Spiel gesetzt hat. Kunden wurden für die Banken zu Wettgegnern, Konkurrenten zu Melkkühen und Staaten zu Selbstbedienungsläden - alles im Wissen, dass bei einem Platzen der Spekulationsblase andere die Rechnung würden bezahlen müssen, die Steuerzahler nämlich.

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Das Grundverständnis dafür, was ein Kreditinstitut ist, was ihm erlaubt und wofür es da ist, ging dabei verloren. Dass Banken das Geld anderer Menschen verleihen und damit Geld verdienen dürfen, ist nämlich nur dann zumutbar, wenn mit diesem Mechanismus knappes Kapital sinnvoller verteilt, Investitionen ermöglicht, das Wirtschaftswachstum gefördert und Arbeitsplätze geschaffen werden können. Das Gewinninteresse des Instituts selber ist zwar nicht verwerflich, reicht als einziges Legitimitätsmerkmal aber nicht aus.

Banken nämlich, die nur sich selbst verpflichtet sind, brauchen eine Volkswirtschaft nicht - und eine Gesellschaft schon gar nicht. Eine solche Bank wirkt im Bemühen um gesellschaftliche Prosperität nicht als Schmiermittel, sondern als Bremsklotz. Ja, mehr noch, sie hat sogar das Potenzial, den Zusammenhalt eben dieser Gesellschaft zu zerstören. Nur eine dienende Bank ist eine notwendige und damit eine akzeptable Bank.

Was Banken für neue Legitimität tun müssen

Um sich neue Legitimität zu erarbeiten, wird es für die Branche nicht ausreichen, wenn sie künftig die - im Vergleich zu früher viel strengeren - Vorgaben der Aufsichtsbehörden beachtet. Ja, selbst die Etablierung einer ethisch-moralisch sauberen Branchenkultur, wie Trichet und seine Mitstreiter sie zu Recht einfordern, ist für sich genommen nicht genug. Banken haben vielmehr, gesellschaftlich wie betriebswirtschaftlich gesehen, nur dann eine Zukunft, wenn sie nachweisen können, dass sie über ihr Kerngeschäft hinaus sozial verantwortlich und gesamtgesellschaftlich nützlich sind.

Dabei helfen kann ausgerechnet der so schlecht beleumundete Markt, den viele Kritiker fälschlicherweise für das eigentliche Übel unserer Zeit halten: Er nämlich setzt die etablierten Geldinstitute zusätzlich unter Druck, weil er sie dem Wettbewerb mit neuartigen Finanzhäusern aussetzt, die formell keine Banken sind und den Platzhirschen insbesondere junge, Internet-erfahrene Kunden abspenstig machen. Diese jungen Menschen brauchen scheinbar keine Bankfilialen und Kreditberater mehr, sie wollen per Handy zahlen, überweisen und Kleinkredite aufnehmen - oder platt gesagt: Sie wollen Paypal, Giropay und Lending Club statt Deutscher Bank, Sparkasse und Volksbank.

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Ob das im Einzelnen alles sinnvoll, moralisch besser und weniger krisenanfällig ist, sei dahingestellt. Tatsache ist: Die klassische Finanzwirtschaft wird sich in den kommenden Jahren einem dramatischen Veränderungsprozess unterziehen müssen, wenn sie überleben will. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, dass in der Rückschau die Weltfinanzkrise des Jahres 2008 eines Tages als der Auslöser für das größte Bankensterben der Geschichte dastehen wird.

Diese Gefahr sehen auch Trichet & Co., und weil sie selbst aus der Branche kommen, wollen sie deren Exitus verhindern. Deshalb ist ihr Bericht so ungewöhnlich klar und deutlich - und damit so wertvoll. Noch wertvoller freilich wäre er gewesen, wenn die Autoren an irgendeiner Stelle eingeräumt hätten, dass auch die meisten Notenbanker und staatlichen Bankenaufseher lange Zeit einem falschen Götzen gefolgt waren - sprich: sich selbst.

© SZ vom 03.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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