Kommentar:Verzichtbares Übel

Biokraftstoffe sind umstritten. Eigentlich sollten sie helfen, das Klima zu retten. Doch diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Ein gut gemeintes Experiment ist damit gescheitert.

Von Silvia Liebrich

Es hört sich nach einem guten Plan an: Auto fahren und dabei auch noch das Klima schonen. Pflanzen im Tank sollten es richten. Dieser Großversuch mit Biokraftstoffen läuft in Deutschland und anderen EU-Ländern nun schon seit einigen Jahren. Pflanzenöl aus Raps, Soja oder Palmöl wird unter den Diesel gemischt, Ethanol aus Getreide, Zucker oder Mais ist fester Bestandteil im Benzin. So will es auch der Gesetzgeber.

Doch die erhofften Erfolge der Biokraftstoffpolitik sind bis heute nicht eingetreten. Im Gegenteil. Immer deutlicher zeigt sich, dass Treibstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen als Klimaretter nicht taugen. Stattdessen schafft ihr Einsatz neue Probleme, die lange unterschätzt wurden. Höchste Zeit also, eine Zwischenbilanz zu ziehen und über Korrekturen nachzudenken.

Das Experiment ist gescheitert. Statt Problem zu lösen, wurden neue geschaffen

Der wohl größte Irrtum liegt schon in der Wortwahl: Der Begriff "Bio" in Zusammenhang mit Kraftstoffen bedeutet keinesfalls, dass es sich hier um ein besonders umweltfreundliches Produkt handelt, auch wenn es so klingen mag. Doch genau dies war eines der Hauptziele bei ihrer Einführung. Sprit und Diesel aus Erdöl verursachen jede Menge schädliche Treibhausgase. Das Beimischen von Kraftstoff aus Pflanzen sollte die Emissionen insgesamt senken. Der Biospritanteil kann beträchtlich sein, so enthält ein Liter E-10-Benzin 100 Milliliter Ethanol.

Aufgegangen ist diese Rechnung bisher allerdings nicht. Tatsächlich hat sich so mancher Treibstoff auf Pflanzenbasis inzwischen als regelrechter Klimakiller erwiesen. Ein aktuelles Beispiel ist Palmöl. Eine neue Studie der Umweltorganisation WWF hat ergeben, dass mehr als 40 Prozent des Rohstoffs, den Deutschland aus Südostasien importiert, im Tank landen - ein Boom mit fatalen Folgen.

Der Anbau von Ölpalmen ist eine der Hauptursachen für die massive Urwaldzerstörung in Indonesien, Malaysia und anderen tropischen Ländern. Studien zeigen, dass bei den Rodungen so viel klimaschädliche Treibhausgase frei werden, dass es weitaus besser wäre, einfach nur mit reinem Diesel aus Erdöl zu fahren. Hinzu kommt, dass der Aufbau von Plantagen oft mit Menschenrechtsverletzungen und Landraub einhergeht, Wasserreserven werden überstrapaziert, Böden ausgelaugt, und die Biodiversität leidet. Viele Tierarten, längst nicht nur die oft beschriebenen Orang-Utans, sind vom Aussterben bedroht.

Hinzu kommt ein weiteres Problem, das mindestens genauso schwer ins Gewicht fällt. Für Palmöl wie für andere nachwachsende Rohstoffe gilt: Sie sind zugleich oft wichtige Nahrungsmittel. Nur ein Beispiel: 200 Kilogramm Getreide reichen aus, um einen Menschen ein Jahr lang gut zu ernähren. Nutzt er die gleiche Menge für Treibstoff, dann würde die höchstens für zwei oder drei Tankfüllungen reichen. Eine unheilvolle Konkurrenz. Denn die weltweiten Anbauflächen sind begrenzt, für Tank und Teller werden die Ressourcen kaum ausreichen. Deshalb ist klar, dass der Anbau von Nahrung Vorrang haben muss angesichts der wachsenden Weltbevölkerung.

Inzwischen wächst auch der Druck auf die EU und ihre Mitgliedsländer, ihre Biokraftstoffpolitik entsprechend zu korrigieren. Bisher werden nachwachsende Rohstoffe gefördert und subventioniert. Erste freiwillige Ziele für den Einsatz von Biosprit in der Europäischen Union wurden 2003 formuliert, 2009 folgten verbindliche Vorgaben. In dieser Zeit kam es weltweit zu zwei großen Verteuerungswellen bei Nahrungsmitteln, die Millionen Menschen in existenzielle Nöte brachten. Allein das wäre Grund genug, Reformen in Angriff zu nehmen.

Doch damit nicht genug. Selbst die Europäische Kommission geht nicht mehr davon aus, dass sie ihr Klimaschutzziel noch erreichen kann - ursprünglich sollte der Treibhausgasausstoß im Verkehrssektor durch Biokraftstoffe bis 2020 europaweit sinken. Neueste Schätzungen gehen davon aus, dass sie sogar steigen könnten. Es gibt also keinen Grund, länger an Beimischungsquoten festzuhalten, solange keine Alternativen in Sicht sind. Zwar arbeiten Forscher unter Hochdruck an neuen Verfahren, etwa daran, Sprit aus Algen zu gewinnen. Massentauglich ist aber keine dieser Technologien.

Die Europäische Kommission hat die Mängel ihrer Energiepolitik erkannt. Sie arbeitet derzeit an neuen Gesetzesvorschlägen. Eine Rolle rückwärts wäre kein Verlust. Die Förderung von Biokraftstoffen war ein gut gemeintes Experiment, das sich jedoch im Testlauf der vergangenen Jahre als verzichtbares Übel erwiesen hat. Ein rascher Ausstieg aus der Quotenregelung ist unumgänglich, um den Schaden zu begrenzen.

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