Kommentar:Verfahren

Die Tarifverhandlungen bei der Deutschen Post sind verfahren. Die Konkurrenz liefert deutlich billiger als der ehemalige Staatskonzern. Und die Kunden der Post wollen für die Lieferungen ihrer Pakete nicht mehr zahlen.

Von Caspar Busse

Wie bequem das doch ist: Vom Sofa aus online Waren bestellen und sich diese dann einfach ins Haus liefern lassen, die sollen möglichst schon am nächsten Tag eintreffen. Kosten soll der Lieferservice natürlich möglichst nichts oder sehr wenig. So ködern viele Internethändler die Kunden damit, dass die Versandgebühren niedrig sind oder ganz entfallen, übrigens oft auch die für eine Rücksendung der Ware, wenn sie nicht gefällt. Was die Konsumenten freut und gut für das Geschäftsmodell Online-Kaufhaus ist, erweist sich auf der anderen Seite als bedrohlich für die Paketunternehmen und deren Angestellte.

Gratis-Mentalität im Internet und eine gute Entlohnung der Zusteller - das passt nicht

Ein ständig steigendes Paketvolumen, gleichzeitig hoher Preis- und Kostendruck und daraus resultierende prekäre Arbeitsverhältnisse der Zusteller - das ist der Hintergrund, vor dem sich gerade einer der größten Arbeitskämpfe der deutschen Unternehmensgeschichte abspielt. Seit vier Wochen wird bei der Deutschen Post nun gestreikt, mehr als 30 000 Mitarbeiter sind im Ausstand, viele Millionen Sendungen bleiben jeden Tag liegen. Die Parteien waren zuletzt unversöhnlich. Die Kernfrage lautet: Eine Kostenlos-Mentalität der Onlinekunden und eine angemessen gute Entlohnung der Paketzusteller - wie soll das zusammen gehen?

Von diesem Freitag an wird in Bad Neuenahr wieder verhandelt. Eine schnelle Einigung ist dringend erforderlich. Beide Seiten sollten auf Deeskalation setzen. Denn der Schaden durch den Arbeitskampf ist bereits jetzt hoch, weil viele Post-Mitarbeiter aus Solidarität mitstreiken. Die Kunden bekommen seit Wochen keine Postsendungen, und wenn, dann mit großer Verspätung, für einige wird es schon brenzlig. Rechnungen, eilige medizinische Sendungen, wichtige Unterlagen, die fristgerecht eingereicht werden müssen - alle sind betroffen.

Es ist nicht nur der gute Ruf der Post und ihre Zuverlässigkeit in Gefahr. Auch das interne Klima in dem ehemaligen Staatsunternehmen, bei dem traditionell die Gewerkschaft stark ist, ist bereits vergiftet. Beide Seiten bekämpfen sich mit allen Mitteln und erstaunlicher Härte. Verdi klagte gegen den Einsatz von Beamten und verlor gerade vor Gericht, das Arbeitsgericht Bonn wies am Donnerstag Eilanträge zurück. Der Konzern wiederum macht in großen Zeitungsanzeigen Front gegen Verdi, hält mit rechtlich umstrittenen Aktionen wie dem Einsatz von Leiharbeitern und der Sonntagszustellung dagegen. Und Post-Chef Frank Appel hat - nicht sehr diplomatisch - kurz vor den Gesprächen nun nochmals klargemacht, dass er sich von den Streiks nicht beeindrucken lassen und von seiner Kernposition nicht abrücken werde. Verdi wiederum war zuletzt nicht einmal zu einer Aussetzung der Streikmaßnahmen während der Gespräche bereit, dabei ist so etwas normalerweise üblich - als Zeichen des guten Willens. Bereitschaft zu einem Kompromiss sieht anders aus, auf beiden Seiten.

Das Klima ist also vergiftet, die Lage verfahren. Umso wichtiger ist eine Versachlichung der Diskussion. Natürlich haben die Arbeitnehmervertreter und Verdi recht, wenn sie sich gegen eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen stellen. Die neuen Paketzusteller, die künftig in 49 regionalen Gesellschaften, sogenannten Delivery-Firmen, arbeiten, bekommen weniger Geld und müssen teilweise länger arbeiten als die Kollegen, die unter den Post-Haustarif fallen. Auch Ängste sind legitim, dass dieses Modell künftig nicht nur für die Kollegen im Paketdienst, sondern auch für alle übrigen Mitarbeiter in der Briefzustellung umgesetzt werden könnte. Dann könnten deutlich mehr neu eingestellte Post-Beschäftigte schlechter gestellt werden.

Auf der anderen Seite ist auch klar, dass die Deutsche Post den Mitarbeitern in der Paketzustellung deutlich mehr zahlt als die Konkurrenz. Nach Angaben der Post erhält ein Paketzusteller nach Haustarif durchschnittlich 17 Euro je Stunde, die neuen Delivery-Firmen der Post zahlen nach Logistik-Tarif dagegen nur durchschnittlich 13 Euro je Stunde. Die Konkurrenten der Post in der Paketauslieferung bieten deutlich weniger, manchmal nur 8,50 bis 9 Euro pro Stunde. Das Problem: Ein Unternehmen, das seinen Mitarbeitern bei nahezu gleicher Leistung deutlich mehr zahlt als die Konkurrenz, aber keine höheren Preise nehmen kann, wird auf Dauer nicht erfolgreich sein und auch keine langfristig sicheren Arbeitsplätze bieten.

Gesucht wird nun eine Einigung, ohne offensichtlichen Gesichtsverlust für beide Seiten. Bei der Deutschen Bahn ist das gerade unter der Regie zweier Schlichter gelungen. Bei der Lufthansa sind die Kontrahenten vielleicht auf gutem Weg. Die Post aber muss noch liefern.

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