Kommentar:Überall Feinde

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Der US-Präsident verbietet eine große Übernahme in der Chipindustrie, verkündet Zölle auf Stahl - immer mit Verweis auf die nationale Sicherheit. Das kann man schnell als paranoiden Unfug abtun. Aber in einem Fall hat Trump wohl recht.

Von Claus Hulverscheidt

Es scheint nicht gut bestellt zu sein um die nationale Sicherheit der USA - diesen Eindruck muss gewinnen, wer Donald Trump dieser Tage beim Regieren zusieht. Stahllieferanten aus Deutschland werden mit Zöllen bedroht, weil sie US-Hersteller angeblich aus dem Markt drängen und damit dazu beitragen, dass die Amerikaner nicht mehr alle Teile selbst fertigen können, die sie für den Bau eines U-Boots oder Kampfjets benötigen. Nicht besser ergeht es Aluminiumlieferanten aus Brasilien. Und nun also hat es auch die Chipindustrie erwischt: Trump verbietet dem singapurischen Hersteller Broadcom die Übernahme des US-Konkurrenten Qualcomm - wegen angeblicher Gefahren für die nationale Sicherheit.

Dass so unterschiedliche Vorgänge wie Stahlimporte und eine Tech-Fusion mit ein und derselben Begründung diskreditiert werden, nährt den Verdacht, dass der US-Präsident hier ein Argument bewusst missbraucht. In Wahrheit, so die Vermutung, geht es ihm vor allem darum, heimische Firmen vor Konkurrenz oder Zugriffen aus dem Ausland zu schützen. Der Verweis auf die nationale Sicherheit ist dabei ein unschlagbares Kampfmittel, denn es erlaubt der Regierung zu handeln, ohne dass sie sich in die Niederungen des Wettbewerbs- oder gar des internationalen Handelsrechts hinabbegeben müsste. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht.

Wer verstehen will, warum der Präsident so agiert, wie er agiert, muss versuchen, die Dinge durch seine Brille zu betrachten. In Trumps Welt entstehen politische und wirtschaftliche Macht vor allem aus militärischer Stärke sowie der Fähigkeit, Konkurrenten vom Markt zu verdrängen. Die Idee, dass auch der Mut zu Diplomatie und Konsens das politische Gewicht eines Landes erhöhen kann, ist diesem Präsidenten ebenso fremd wie die Vorstellung, dass Handel im Idealfall ein Geschäft zum beiderseitigen Nutzen ist.

Wer aber um sich herum nur Feinde sieht, wer andere Staaten nicht für potenzielle Partner hält, sondern nur für Rivalen, die die USA politisch und wirtschaftlich zu übervorteilen suchen, der kann gar nicht anders, als hinter jedem Busch eine neue Gefahr zu vermuten. Aus der Stahllieferung eines deutschen Provinzherstellers wird dann der Versuch, Amerikas Militär zu schwächen. Und die geplante Übernahme eines US-Chipfabrikanten durch einen ostasiatischen Konkurrenten erscheint plötzlich als von langer Hand geplante Attacke, um die hochsensible Tech-Infrastruktur der Vereinigten Staaten zu infiltrieren oder gar zu torpedieren.

Stahlzölle sind Unfug - im Fall der Chipindustrie ist die Sorge der USA nicht ganz unberechtigt

Im Fall der Stahllieferungen wird rasch klar, dass der Verdacht schlicht Unfug ist. Das gilt zumindest so lange, wie die geplanten Importzölle auch Nato-Partner betreffen, Länder also, die in Zusammenarbeit mit den USA ein System kollektiver Sicherheit bilden und damit qua Definition keine Bedrohung darstellen können.

Etwas anders sehen die Dinge im Fall Broadcom/Qualcomm aus. Wie viele andere Industriestaaten arbeiten die USA derzeit am Aufbau eines modernen 5G-Datennetzes, dessen Bedeutung sowohl für die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit als auch für die nationale Sicherheit des Landes kaum überschätzt werden kann. Das wird ohne die Spezialchips, die der Tech-Riese Qualcomm mit Sitz in San Diego fertigt, kaum gehen. Entsprechend groß sind die Befürchtungen der US-Führung, dass ihre Ansprechpartner bald nicht mehr in Kalifornien, sondern in Singapur oder am Ende sogar in Peking sitzen könnten.

Tatsächlich ist die Sorge nicht gänzlich von der Hand zu weisen, dass die Führung Chinas den neuen singapurischen Superkonzern als Übernahmeziel oder zumindest als Vehikel für sich entdeckt, um den Aufbau des 5G-Netzes in den USA zu verlangsamen oder ihren Geheimdiensten Zugriff darauf zu verschaffen. Schließlich haben die Machthaber in Peking wiederholt bewiesen, dass sie keinerlei Skrupel besitzen, für die Durchsetzung politischer und machtstrategischer Interessen auch ihre wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten zu nutzen. Das Verbot der Qualcomm-Übernahme ist deshalb auch als Signal an China zu verstehen: Finger weg von Amerikas Hightech-Infrastruktur.

Der Fall ist somit vor allem Ausdruck eines Wettstreits zweier aggressiver Großmächte, die unter teilweiser Missachtung globaler Regeln immer raubeiniger miteinander umspringen. Leider wird sich die Welt wohl daran gewöhnen müssen - zumindest so lange, wie in Peking ein kommunistischer und in Washington ein kapitalistischer Nationalist das Sagen haben.

© SZ vom 14.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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