Kommentar:Trump spielt riskant

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Der US-Präsident geht China an, obwohl er derzeit gar kein Interesse an einem Handelskrieg hat. Er möchte nur die Kooperation Pekings gegen Nordkorea erzwingen. Das birgt aus verschiedenen Gründen einige Risiken für Trump.

Von Claus Hulverscheidt

Wie immer war es ein "sehr großer Schritt", den Donald Trump in der Nacht zu Dienstag da ankündigte - anders geht es bei ihm ja nicht: Die US-Regierung überlegt, China wegen des Diebstahls geistigen Eigentums, wegen Produktpiraterie und Betriebsspionage mit Sanktionen zu belegen. Sollte es dazu kommen, wäre das ein weiterer Schlag für die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen beiden Supermächten.

Es lohnt sich deshalb, genauer hinzuschauen, was der US-Präsident da eigentlich angeordnet hat. Faktisch hat er seinen Handelsbeauftragten Robert Lighthizer beauftragt zu prüfen, ob das Geschäftsgebaren Chinas offiziell überprüft werden sollte. Erst am Ende dieser zweiten Untersuchung steht die Entscheidung über Sanktionen oder andere Konsequenzen an, das ganze Prozedere kann leicht ein Jahr und mehr dauern. Eine Prüfung also, ob eine Prüfung nötig ist - das zeigt ungeachtet aller Symbolhaftigkeit, die mit Trumps Ankündigung zweifellos verbunden ist, dass der "sehr große Schritt" in Wahrheit ein ziemlich kleiner ist.

Der Präsident hätte die Möglichkeit gehabt, weitaus rabiater vorzugehen

Der Präsident hätte die Möglichkeit gehabt, weitaus rabiater vorzugehen. Denn da sind nicht nur die Nationalisten in seiner eigenen Regierung, die den Welthandel als Verdrängungskampf von Nationen fehlinterpretieren und deshalb schon lange von einem Wirtschaftskrieg gegen China träumen. Vielmehr machen auch viele US-Konzerne Druck, allen voran die Tech-Riesen aus dem Silicon Valley: Sie beklagen seit Jahren und aus gutem Grund, dass chinesische Partner und Konkurrenten beinahe jede sich bietende Möglichkeit nutzen, Spezialwissen abzusaugen und zum Bau eigener Produkte zu verwenden - Produkte, mit denen die Anbieter aus der Volksrepublik dann den amerikanischen Firmen Konkurrenz machen.

Ähnliche Klagen kommen aus der Auto-, der Mode-, der Luftfahrt-, der Rüstungs-, der Musik- und vielen anderen Industrien, denn noch immer verlangt Peking etwa von Autobauern, die auf den chinesischen Markt drängen, dass sie sich mit einem lokalen Betrieb verbünden und technisches Knowhow teilen. Selbst wenn eine solche Partnerschaft endet: Das Wissen bleibt. Kein Wunder also, dass manch chinesisches Auto nur am Herstellerlogo auf dem Kühlergrill vom europäischen oder amerikanischen Konkurrenzmodell zu unterscheiden ist.

Eine Prüfung der Vorwürfe ist deshalb nur allzu berechtigt. Daran ändert auch das verkorkste Verständnis handelspolitischer Zusammenhänge nichts, das den Präsidenten und einige seiner Berater kennzeichnet. Dass sich Trump dennoch zunächst für eine Prüfung light entschieden hat, zeigt, dass er im Moment kein Interesse an einem Handelskrieg hat. Vielmehr will er zunächst nur den politischen Druck auf die Regierung in Peking erhöhen, ihren Einfluss auf den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un geltend zu machen: Gelingt es den Chinesen, Kim vom Bau einer Atombombe abzubringen, ist er, Trump, bereit, in der Handelsfrage einen sehr viel großzügigeren Kurs einzuschlagen und sein Genöle über die hohen chinesischen Exportüberschüsse deutlich herunterzudimmen. Das hat der Präsident wiederholt so angekündigt.

Eine so offene Verknüpfung von sicherheits- und wirtschaftspolitischen Forderungen ist nicht nur in der US-Politik, sondern auch darüber hinaus unüblich. Dahinter steckt Trumps Grundidee, Politik sei auch nichts anderes als Geschäftemacherei: Hilfst du mir und lässt mich bei den Aktionären oder beim Wahlvolk gut aussehen, komme ich dir dafür an anderer Stelle entgegen - ein Deal also zum beiderseitigen Nutzen. Politik funktioniert aber nicht wie der Kauf einer preiswerten Palette Cola: Sollte Trump den Wunsch vieler Anhänger nach einem Zurückdrehen der Globalisierung dazu zweckentfremden, an ganz anderer Stelle einen politischen Sieg einzufahren, werden ihm das die Betroffenen irgendwann übel nehmen. Der Eindruck wird sein: Trump interessiert sich in Wahrheit gar nicht für die Anliegen der "vergessenen Amerikaner". Er benutzt sie nur.

Weil er selbst oder aber sein Beraterstab um diese politische Gefahr weiß, hat er jetzt jene Prüfung einer Überprüfung angeordnet - ein klassischer Fall von Verzögerungstaktik. Auf die Dauer wird er damit nicht durchkommen: Entweder die Chinesen überzeugen ihn in der Nordkorea-Krise, und er rüstet im Handelskonflikt ab - dann stehen die US-Firmen mit ihren berechtigten Piraterie-Vorwürfen und die Wähler mit dem Wunsch nach weniger Globalisierung bei ihm auf der Matte. Oder aber er zieht die Daumenschrauben in der Handelspolitik an und muss Kim ohne Hilfe aus Peking einhegen. Ein riskantes Spiel, das Trump da treibt.

© SZ vom 16.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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