Kommentar:Teuer und riskant

Microsoft übernimmt für die gewaltige Summe von 26 Milliarden Dollar das Karrierenetzwerk Linked-in. Warum der Deal die Probleme nicht lösen wird.

Von Caspar Busse

Ein 19-jähriger Student namens William Henry Gates gründete im April 1975 zusammen mit seinem Kollegen Paul Allen eine kleine Softwarefirma, aus der schnell Großes werden sollte. Microsoft wurde bald zur wichtigsten Softwarefirma, und Bill Gates zum reichsten Menschen der Welt. 41 Jahre ist Microsoft inzwischen alt, und das ist in der schnelllebigen Computerbranche eine ziemlich lange Zeit.

Das Unternehmen, dessen Zentrale in einem Vorort von Seattle im US-Bundesstaat Washington sitzt, hat schon seit Längerem sehr zu kämpfen, ganz anders als die anderen amerikanischen IT-Unternehmen wie Apple, Google oder Facebook aus dem Silicon Valley. Umsatz und Gewinn gingen zuletzt zurück. Das Betriebssystem Windows hat dramatisch Marktanteile verloren, das traditionelle Kerngeschäft, neben Windows vor allem Bürosoftware wie Word, Excel oder Outlook, geht stetig zurück. Noch immer laufen die Microsoft-Programme weltweit auf unzähligen Rechnern. Doch in der mobilen Welt der Smartphones und in den sozialen Netzwerken hat das Unternehmen bis heute trotz vieler Versuche nicht richtig Fuß fassen können.

Nokia, Skype - die bisherigen Übernahmen des Konzerns stimmen wenig hoffnungsvoll

Jetzt versucht Konzernchef Satya Nadella - seit 2014 im Amt und übrigens erst der dritte Boss nach Bill Gates und Steve Ballmer - den Befreiungsschlag. Überraschend hat Microsoft Anfang dieser Woche die Übernahme von Linked-in bekannt gegeben. Bei dem Online-Karrierenetzwerk können sich Nutzer mit ihrem Profil vorstellen, Jobangebote suchen und mit anderen Mitgliedern kommunizieren. Mehr als 26 Milliarden Dollar gibt Microsoft dafür aus, es ist nicht nur für Microsoft die gewaltigste Akquisition seiner Geschichte. Es ist auch die größte Transaktion in der IT-Branche, seit Hewlett-Packard im Jahr 2002 den Konkurrenten Compaq übernommen hat.

Ist Linked-in diese enorme Summe überhaupt wert? Wird sich das rechnen? Vor allem: Kann das Software-Unternehmen aus Redmond seine drängenden Probleme mit dieser Akquisition lösen?

Skepsis ist angebracht. Die Übernahme ist teuer und riskant. Es hat durchaus einen Grund, warum bisher in der redseligen IT-Branche niemand über ein Zusammengehen von Microsoft und Linked-in spekuliert hatte. Die beiden Partner sind sehr unterschiedlich. Ob Microsoft damit zu den erfolgreichen Rivalen, etwa Google, Facebook oder Apple, aufschließen kann, ist zweifelhaft. Zwar könnte Microsoft so in der mobilen Welt durchaus stärker werden und auch mehr professionelle Anwender ins Visier nehmen. Auf diese Zielgruppe will sich Microsoft ohnehin konzentrieren, maßgeschneiderte Angebote sind künftig möglich. Doch Linked-in hatte zuletzt selbst Probleme, das Wachstum war nicht mehr so stark. Linked-in ist meilenweit davon entfernt, so etwas wie Facebook zu sein. Es gibt zwar weltweit 433 Millionen Nutzer, davon sind aber lediglich 105 Millionen auch bei Linked-in aktiv (davon nur relativ wenige in Deutschland, hier ist Konkurrent Xing stark).

Wenig hoffnungsvoll stimmen die bisherigen Übernahme von Microsoft. 2013 wurde der finnische Handy-Hersteller Nokia erworben, damit wollte Microsoft den Anschluss an den Smartphone-Boom schaffen. Doch der Kauf erwies sich als sehr teurer Flop. Auch der Kauf des Online-Dienstes Skype 2011 brachte nicht den erhofften Schub. Offenbar fällt es Microsoft nicht leicht, teure Übernahmen erfolgreich und schnell zu integrieren.

Dazu kommt, dass der Preis sehr hoch ist. Microsoft finanziert das Geschäft fast überwiegend über neue Schulden, Kapital ist bei den derzeit historisch niedrigen Zinsen billig zu haben und belastet nicht die Gewinnrechnung. Trotzdem: Linked-in macht nur 3,5 Milliarden Dollar Umsatz, finanziert sich über Werbung und Abonnement-Modelle, hat aber seit der Gründung 2003 noch keine nachhaltigen Gewinne erwirtschaftet. Das lässt doch Zweifel am Geschäftsmodell aufkommen. Zu dem Preis von umgerechnet gut 23 Milliarden Euro könnte man auch Adidas, die Deutsche Bank oder den Rückversicherer Munich Re übernehmen.

Doch das ist wohl eine antiquierte Betrachtung. In der heutigen Welt zählen Daten, bei Linked-in diejenigen der mehr als 400 Millionen Nutzer. Wenn Microsoft den enormen Preis überhaupt irgendwie wieder verdienen will und das Ganze nicht eine große Blase werden soll, muss der Konzern diese Daten zu Geld machen. Es muss etwas Neues mit Mehrwert entstehen, bei Linked-in findet Microsoft zumindest seine spezielle Zielgruppe. Ob Nadellas Plan am Ende wirklich aufgeht, hängt auch davon ab, ob die Nutzer mitmachen oder sich abwenden.

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