Kommentar:Tanken bleibt günstig

Auch nach der Einigung wird der Ölpreis nicht stark steigen. Der Rohstoff wird nie mehr die Bedeutung erlangen, die er Mitte des 20. Jahrhunderts hatte.

Von Nikolaus Piper

Zum ersten Mal seit acht Jahren hat die Organisation Erdöl exportierender Staaten (Opec) wieder das getan, wozu sie einst gegründet worden ist: Sie verhielt sich als Kartell und vereinbarte eine Drosselung der Ölförderung, um so den Marktpreis zu erhöhen. Die Verknappung wirkte wie gewünscht. Der Preis für Rohöl der Marke Brent stieg nach der Sitzung in Wien um fast zehn Prozent und liegt jetzt deutlich über 50 Dollar für ein Fass. Für die Weltwirtschaft ist das eine gute Nachricht. Der Schaden, den das billige Öl bisher in den Bilanzen der Energiekonzerne und den Staatskassen der Förderländer anrichtete, war längst größer als die entsprechende Entlastung der Verbraucher und Unternehmen.

Manche Investoren spekulieren jetzt bereits auf die große Preiswende, also darauf, dass die Phase des billigen Öls zu Ende sein könnte. Die Opec ist als ernstzunehmende Macht zurück, so die Argumentation, sie kann also wieder die Welt vor sich hertreiben und die Preise nach Belieben festsetzen. Dass es so kommen wird, ist allerdings sehr unwahrscheinlich. Mag sein, dass der Ölpreis bis Weihnachten tatsächlich auf 60 Dollar steigt, wie einige Marktexperten voraussagen und wie es die Ölminister anstreben. Aber auch dann dürfte sich die Opec-Entscheidung eher als Versicherung gegen weiteren Preisverfall erweisen, denn als Beginn einer Preisspirale noch oben.

Die Welt nimmt den Klimawandel inzwischen ernst, damit wird Öl weniger wichtig

Der Absturz des Ölpreises, der im Juni 2014 eingesetzt hatte, ist auf mindestens vier wichtige Ursachen zurückzuführen: Erstens der spektakuläre Erfolg von Fracking, also der Erschließung sogenannter unkonventioneller Öl- und Gasvorkommen aus Schieferablagerungen, besonders in den Vereinigten Staaten; zweitens die absehbare Rückkehr von Iran auf den Weltmarkt nach dem Ende der Sanktionen; drittens der Versuch Saudi-Arabiens, um fast jeden Preis seinen Marktanteil zu halten und nach Möglichkeit die lästige Schieferölproduktion aus den Vereinigten Staaten kaputt zu konkurrieren. Und viertens die vergleichsweise langsam wachsende Weltwirtschaft mit einer niedrigeren Nachfrage aus China. Von diesen vier Faktoren ist mit dem jüngsten Beschluss der Opec gerade einmal einer entfallen, die aggressive Preispolitik Saudi-Arabiens. Alles andere ist unverändert.

Unmittelbare Nutznießer des Opec-Beschlusses sind die großen Ölunternehmen. Der Aktienkurs von BP (Eigentümer der deutschen Marke Aral) stieg um 4,2 Prozent, Royal Dutch Shell legte um 3,2 Prozent zu. Die Branche war davor durch ihre schwerste Krise seit Jahrzehnten gegangen und musste Kosten und Investitionen senken. Nutznießer ist auch die amerikanische Fracking-Industrie, die ihrerseits einst zum Preisverfall beigetragen und gegen die sich die alte Strategie Saudi-Arabiens gerichtet hatte. Viele Bohrlöcher, die zuletzt nicht mehr profitabel waren, sind es jetzt wieder. Der Preisanstieg trägt also so etwas wie seine eigene Bremse in sich. Anders gewendet: Als das Fass Rohöl für nur 30 Dollar zu haben war, brachen die Investitionen in die Ölförderung praktisch zusammen. Bei stabileren Preisen fließt nun wieder mehr Geld in die Energieproduktion (nicht nur die Ölförderung). Das Risiko einer Angebotslücke, gefolgt von einer heftigen Gegenreaktion der Märkte mit eruptivem Preisanstieg in naher Zukunft, wird damit kleiner.

Gewinner ist auch die Opec selbst als Organisation. Sie hat durch den Beschluss erst einmal an Glaubwürdigkeit gewonnen, nicht zuletzt, weil auch das Nicht-Opec-Mitglied Russland mitmachte. Wie lange die Disziplin des Kartells hält, muss man sehen. Bisher schaffte es die Opec selten, über längere Zeit diese Disziplin zu wahren. Meist ist doch für irgendein Mitgliedsland der Anreiz zu groß, Trittbrettfahrer zu spielen und die höheren Preise für die Steigerung der eigenen Förderung zu nutzen. Venezuela zum Beispiel, dessen Wirtschaft gerade kollabiert, ist dringend auf jeden Dollar angewiesen, woher auch immer. Auch andere Länder, etwa Libyen, sind unsichere Kartellmitglieder.

Bei allem ist klar, Öl wird in der Energieversorgung nie mehr die Rolle spielen, die es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einmal innehatte. Die Weltgemeinschaft nimmt den Klimawandel inzwischen ernst, wie der Pariser Gipfel vor einem Jahr gezeigt hat, der Verbrennungsmotor hat seine beste Zeit hinter sich, der technische Fortschritt geht viel weiter. Die Energieträger der Zukunft werden Erdgas, Sonne und Wind sein. Das alles bedeutet noch nicht gleich, dass das Ende des Ölzeitalters da ist. Aber die Ausschläge auf dem Ölmarkt, die es weiter geben wird, verlieren an Bedrohlichkeit. Keine schlechte Nachricht in einer sonst so unsicheren Welt.

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