Kommentar:Sparen auf Kosten der Arbeitnehmer

Viele Betriebe geben keine konkrete Zusagen mehr zur Höhe der Betriebsrenten.

Von Thomas Öchsner

(SZ vom 08.01.04) - Wenn es darum geht, in Zeiten leerer Rentenkassen die Notwendigkeit der zusätzlichen Altersvorsorge zu beschwören, sind alle dabei: Politiker, Experten und natürlich auch die Unternehmen. Wenn es darum geht, etwas für das gemeinsame Anliegen zu tun, sind die Signale eher verwirrend. Die jüngsten Nachrichten zur betrieblichen Altersvorsorge dürften bei den Verbrauchern nur zusätzliche Unsicherheit programmieren.

Die Situation ist paradox: Die Bundesbürger sollen mehr vorsorgen. Aber zum Jahreswechsel erfuhren die sparfreudigen Arbeitnehmer, dass sie nun den vollen Krankenkassenbeitrag auf Betriebsrenten und Einmalzahlungen aus Direktversicherungen zahlen müssen.

Die Nachfrage nach der Riester-Rente ist im vergangenen Jahr fast zusammengebrochen. Auch aus den Firmen ist nichts Gutes zu hören: Die Commerzbank kündigte jetzt in einer Nacht- und-Nebel-Aktion 26.000 Mitarbeitern die Betriebsrente. Der angeschlagene Versicherungskonzern Gerling hat bereits zum Jahresanfang Ansprüche auf Betriebsrenten zum Teil drastisch gekürzt.

Leistungen zusammengestrichen

Dass die Unternehmen für ihre Mitarbeiter weniger oder gar kein Geld zurücklegen, ist nicht neu: Viele Betriebe haben die Leistungen aus den Firmenkassen in den vergangenen Jahren zusammengestrichen, um ihre Lohnnebenkosten zu senken.

Verstärkt wurde dieser Trend durch die Wirtschaftsflaute in Deutschland. In solchen Zeiten geben in den Firmen Kosten-Kontrolleure den Ton an, die jeden eingesparten Euro als Erfolg verbuchen - auch wenn so mancher Einschnitt zum Bumerang wird, weil er die Motivation der Mitarbeiter und damit auch ihre Arbeitskraft lähmt.

Damit ist aber nicht das Ende der Betriebsrente in Deutschland eingeläutet. Vielmehr verändert sich das ganze System. Das Risiko, für den Ruhestand nicht genug Geld an den Kapitalmärkten angesammelt zu haben, wird zunehmend von den Arbeitgebern auf die Arbeitnehmer verlagert.

Viele Unternehmen, vor allem große Aktiengesellschaften, steigen nicht aus der betrieblichen Altersvorsorge aus. Sie sagen jedoch nur noch eine Sparleistung zu, ohne dem Mitarbeiter eine bestimmte Rente zuzusichern.

Schönere Zahlen

Gleichzeitig ziehen sie vermehrt ihre Pensionslasten aus der Bilanz heraus und lassen das Geld in Fonds an den Kapitalmärkten arbeiten, um so vor den Aktien-Analysten mit schöneren Geschäftszahlen brillieren zu können.

Beides lässt sich schon wegen des weltweiten Konkurrenzkampfes nicht vermeiden. Es nützt niemandem, wenn Unternehmen unter ihrer Pensionslast zusammenbrechen. Das Kernproblem wird mit solchen Verschiebemanövern aber nicht gelöst: Das gesetzliche Rentenniveau sinkt dramatisch.

Vielen Bundesbürgern droht Altersarmut, wenn sie nicht privat oder betrieblich vorsorgen. Gerade hier haben die Deutschen im Vergleich zu anderen Industrienationen einen riesigen Nachholbedarf. Und weder die Opposition, die das Problem 16 Jahre lang verdrängte, noch die Bundesregierung, die zumindest 2002 den Einstieg in die Riester-Rente schaffte, hat ein schlüssiges Konzept, um dies zu ändern.

Bei der neuen Förderung der betrieblichen Vorsorge klaffen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Jeder Arbeitnehmer hat seit 2002 das Recht, einen Teil seines Gehalts steuersparend für eine spätere Betriebsrente zurückzulegen.

Zu komplex

Doch obwohl die staatliche Förderung äußerst attraktiv ist, ist vor allem bei kleinen und mittleren Unternehmen nichts geschehen, wo mehr als 80 Prozent der Arbeitnehmer beschäftigt sind. Die Materie ist ihnen einfach zu komplex.

Deutschland braucht deshalb eine Reform, die das System der Vorsorgeförderung flexibler, einfacher und verständlicher macht. Das allein wird aber nicht reichen. Die Bürger müssen Vertrauen in die staatlichen Förderangebote gewinnen.

Wer jedoch fast täglich in dem Gefühl bestärkt wird, was der Staat auf der einen Seite gibt, wird auf der anderen Seite später wieder kassiert, wird heute kein Geld für morgen lockermachen.

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