Kommentar:Sehr raue Sitten

Die Hastor-Familie, die den Autozulieferer Grammer übernehmen wollte, hätte eine notwendige Debatte über das Verhältnis von Autokonzernen und Zulieferern anstoßen können. Stattdessen trieben sie ein Versteckspiel und schaden damit der gesamten Branche.

Von Max Hägler

Ein bosnisch-deutscher Familienclan versucht in Heuschreckenmanier einen Autozulieferer zu übernehmen und gefährdet mit seinem Renditestreben Tausende Arbeitsplätze. Wenn das durchgeht, ist die deutsche Autoindustrie bedroht. Denn die Familie namens Hastor stoppte ja immer wieder die Lieferung bei ihren diversen Firmen, um von Autoherstellern Geld zu erpressen.

So kann man diese Übernahmeschlacht lesen, die da in Amberg bei dem Autozulieferer Grammer abläuft und vorerst zu Ungunsten der Hastors endete. Das Grammer-Management konnte die Einflussnahme abwehren, zur Freude von Politik, Gewerkschaften und der Auftraggeber. Alles kann jetzt weiterlaufen wie bisher. So als ob vor dem in der Tat merkwürdigen Unruhestiften der Familie Hastor alle im besten Einvernehmen zusammengewirkt hätten.

In der Autobranche tobt ein ungesunder Kampf um Margen

Doch das ist ein falsches Bild, ein unvollständiges, gefährliches. Der eskalierte Konflikt und die Phalanx gegen Hastor verstellt leider den Blick darauf, dass das Verhältnis zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern mitnichten einvernehmlich ist. Zwischen denen, die zuliefern, und denen, die alles zusammenschrauben und als Auto verkaufen, tobt ein ungesunder Kampf um Margen, der für die Zulieferer immer öfter existenzbedrohend ist. Und der weit über die Oberpfalz hinausreicht. Es ist ein Kampf, der ausgelöst wird von den Autobauern, auf Veranlassung der renditegierigen Aktionäre.

Wenn ein Hersteller Teile ordert, steckt ein Prüfprozess dahinter, der ein Jahr und länger dauert. Etwa bei den Kopfstützen oder Mittelkonsolen von Grammer: sind die erforderlichen Stückzahlen in der nötigen Qualität lieferbar, und zwar just in time? Deswegen gibt es oft nur einen Lieferanten für eine Sache - der dann tatsächlich Macht hat. Und das Konfliktpotenzial ist groß: 70, 80 Prozent der Wertschöpfung eines Autos werden zugeliefert. Tanzt nur einer aus der Reihe, wie Hastor manchmal, gibt es Probleme.

Mittelfristig kann ein Hersteller aber natürlich neue Geschäftspartner heranziehen. Und das geschieht auch, mit teils unverschämtem Druck. Wie schnell Bestellungen wegfallen, ist dieser Tage in Frankreich zu sehen, wo die Arbeiter der Firma GM&S mit radikalen Methoden gegen die Schließung ihres Werkes protestieren. Die französischen Autobauer Peugeot und Renault kaufen die bislang dort produzierten Autotüren mittlerweile woanders ein, die Arbeiter zünden aus Verzweiflung ihr Werk an.

Wer einen Auftrag haben will, sagen wir für Kopfstützen, Türen oder etwa auch für die Programmierung von Motor-Software, muss hinnehmen, dass die Gesandten des Herstellers sein Unternehmen durchleuchten: Audi, BMW, Mercedes, Opel, VW, Ford - alle Einkäufer kennen die Preise für Rohstoffe, Löhne und Maschinen, sie kennen die Größe des Geschäftsführerbüros und der Sanitärbereiche. Bescheiden soll es sein. Ein paar wenige Prozent Marge geben sie auf den errechneten Preis obendrauf. Mehr nicht. Stattdessen fordern sie mitunter noch: Wenn du diesen guten Auftrag haben willst, musst du jenen uninteressanten ebenfalls nehmen, auch wenn du draufzahlst. Das ist nicht nur frech, sondern manchmal nah an der Erpressung. Danach heißt es, jedes Jahr: Billiger produzieren! Drei Prozent Abschlag sind üblich. Wer da nicht mitmachen mag, wird ausgesiebt, egal wie gut und zuverlässig er die Arbeit bislang erledigt hat. Immer öfter geht Preis vor Qualität, das beklagen auch die Ingenieure bei den Herstellern, die unter der Fuchtel der Kollegen aus dem Einkauf stehen. Die Zahlenmenschen sorgen dafür, angespornt durch Bonus-Systeme, dass ihre Arbeitgeber hübsche Margen erreichen. Die Aktionäre freut es, wenn von 100 Euro Umsatz zehn Euro und mehr als Gewinn hängen bleiben. Die Lieferanten indes eher nicht. Und auch nicht die Autofahrer, die von Reparaturen oder einem Rückruf betroffen sind: Dahinter stecken oft unausgereifte Technik oder schlampige Produktion infolge des Preisdrucks. Auch Firmen der Hastor-Gruppe litten wohl unter dieser ungesunden Sparspirale. Nach allem, was man weiß, war ihr Widerstand mitunter nachvollziehbar, gerade gegen VW. Aber der Widerstand der Hastors, den man anfangs als "mutig" ansehen konnte, hat bizarre Ausmaße angenommen. Anstatt mit Offenheit das Verhältnis zwischen Herstellern und Lieferanten zu thematisieren, treiben diese Investoren nun ein Versteckspiel. Sie hätten eine notwendige Debatte in der wichtigsten deutschen Industrie befördern können. Das gewählte Gebaren schadet allen: Ihnen selbst, Grammer und den vielen Beschäftigten in der Branche.

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