Kommentar:Schwarzmaler am Werk

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Die Republikaner haben ein kritisches Thema ausgegraben: Sie reden die Wirtschaft schlecht. Das könnte nach hinten losgehen.

Von Claus Hulverscheidt

Peer Steinbrück ist in den USA wahrlich kein Unbekannter, einmal war er sogar in einen Autounfall verwickelt, über den er anschließend dem besorgten Präsidenten George W. Bush berichten musste. In Bushs Partei allerdings ist der Name des Ex-Kanzlerkandidaten anscheinend kein Begriff mehr - eine Geschichtsvergessenheit, die sich rächen könnte, denn die republikanischen Präsidentschaftsbewerber sind gerade dabei, den gröbsten SPD-Wahlkampffehler von 2013 zu wiederholen: Sie reden ein Land schlecht, dem es nicht schlecht geht.

In den vergangenen Tagen ist eine regelrechte Meisterschaft im Schwarzmalen in Gang gekommen. Rick Perry sieht die USA wirtschaftlich gesehen "im Graben", Chris Christie die staatlichen Sozialprogramme vor der Pleite, und Jeb Bush klagt, alle gut bezahlten Jobs gingen verloren, weil man das komplizierteste Steuersystem und die höchsten Schulden der Welt habe. Die Krone aber trug Bobby Jindal davon: Er warnte, wenn die USA jetzt nicht die Kurve kriegten, dann würden sie "das nächste Griechenland".

Die Lage ist heute ohne Zweifel besser als bei Barack Obamas Amtsantritt

Natürlich ist die Lage in einem so großen Land wie den USA nie einfach nur gut oder schlecht, sie ist vielmehr sehr heterogen. Es gibt Gegenden, in der die Wirtschaft so sehr brummt, dass eine Garage so viel kostet wie andernorts eine ganze Fabrik. Und es gibt Industriebrachen, die sind so schäbig, dass man glauben möchte, sie seien neu erbaute Kulissen für einen Film über die Große Depression der Dreißigerjahre. Sind sie aber nicht.

Und doch: Alles in allem ist die Situation heute ohne Zweifel besser als bei Barack Obamas Amtsantritt 2009. Seit Überwindung der Finanzkrise, also ab 2010, ist die Wirtschaft im Durchschnitt um mehr als zwei Prozent pro Jahr gewachsen. Die Arbeitslosenquote fiel von zehn auf 5,3 Prozent, das Etatdefizit von sagenhaften 12,1 auf 2,8 Prozent. Mehr als elf Millionen neue Jobs wurden geschaffen, die Stundenlöhne steigen, die Zahl der Neubauten legt ebenfalls kontinuierlich zu.

Auch dass in den USA zunehmend eine Debatte über soziale Ungleichheit aufkeimt, ist nicht Ausdruck einer miesen, sondern eher der guten Wirtschaftslage - mit ihren längst wieder vorhandenen Exzessen in den obersten Gehaltsetagen. Hinzu kommen die Erfahrungen mit der staatlich geförderten Krankenversicherung für Arme, die trotz aller Verteufelungsversuche durch die Republikaner funktioniert. Das ermutigt Bürger, auch andere Fragen zu stellen: Warum gibt es kaum einen gesetzlichen Mutterschutz? Warum keine Elternzeit, keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall?

Das Dumme für die Republikaner ist, dass sie die letzten sind, denen Antworten auf solche Fragen zugetraut werden. Das könnte ihnen egal sein, wenn nicht in Umfragen auch ein Drittel der eigenen Anhänger sagte, der Staat müsse sich aktiver um mehr soziale Gerechtigkeit bemühen. Das erschwert es den Kandidaten, einen Trumpf zu ziehen, der bisher meist gestochen hat: das Gezeter über "Big Government", jenen vermeintlichen krakenhaften Staat, der sich in immer mehr Lebensbereiche der Amerikaner einmischt. Zwar gehört die Idee, dass die Regierung sich aus allem heraushält, was sie nicht unbedingt etwas angeht, und so viel wie möglich den Bürgern überlässt, gewissermaßen zur DNA der Vereinigten Staaten. Doch die Bürger haben auch ein Gespür dafür, wann Kritik und Schwarzmalerei zur reinen Masche werden.

Noch mehr als in Deutschland achten die Amerikaner bei der Stimmabgabe auf ihr Bauchgefühl - und bei allem Unwillen vieler Menschen, Hillary Clinton zu wählen: Für die Republikaner sollte dieses Wissen Anlass zu ernsthafter Sorge sein.

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