Kommentar:Sanktionen wirken

Wirtschaftliche Boykotte müssen auf das jeweilige Land zugeschnitten sein. Sie sind stärker als reine Gesprächsdiplomatie und allemal besser als militärische Gewalt. Ihre Wirkung braucht allerdings Zeit.

Von Karl-Heinz Büschemann

Manchmal ist Eile ein gutes Zeichen. Die Ungeduld, mit der die iranische Regierung auf das Ende des Wirtschaftsboykotts drängt, belegt, dass die Sanktionen gegen Teheran ihre Wirkung hatten. Kaum sind die zähen Atomverhandlungen in Wien beendet, wünscht sich Iran, wieder ein Teil der internationalen Wirtschafts- und Handelsgemeinschaft zu werden. Selten waren sich Fachleute so einig, dass Sanktionen gegen einen Staat, der seine Nachbarn mit Aggression bedroht, erfolgreich waren. Ohne den von den USA eingeleiteten Boykott, der Iran von den Finanzmärkten abschnitt und den Export von Öl und Gas einschränkte, wäre Teheran wohl nicht zu den Verhandlungen über seine atomaren Ambitionen bereit gewesen.

Der seit mehr als drei Jahrzehnten schwelende Streit der USA mit Iran zeigt aber, wie lange es dauern kann, bis die gezielte Behinderung des Wirtschaftsverkehrs die gewünschte Wirkung erzielt. Das ist ein Grund dafür, warum Wirtschaftssanktionen als Mittel der Außenpolitik so umstritten sind. Sie führen nicht immer zum gewünschten Ergebnis, und schon gar nicht wirken sie von heute auf morgen. Deshalb war die Debatte über Vor- und Nachteile eines EU-Boykotts gegen Russland nach der Invasion Moskaus auf der Krim und im Osten der Ukraine im vergangenen Jahr so quälend.

Sanktionen und Exportverbote für bestimmte Länder sind in der Wirtschaft unbeliebt. Das gilt vor allem für Länder, die stark vom Export abhängig sind und daher auch für Deutschland. Global handelnde Unternehmen mögen es nicht, wenn ihre Geschäfte auf ausländischen Märkten aus politischen Gründen beschränkt werden. Lobbyverbände schreien auf, wenn eine Regierung ein Land mit wirtschaftlichen Mitteln bestrafen will. Sanktionen, so wird dann ins Feld geführt, schadeten der Bevölkerung eines Landes und nicht seiner Regierung. Sanktionen stünden den Interessen und der eigenen Volkswirtschaft entgegen, und eines der gängigsten Argumente gegen einen Wirtschaftsboykott ist, dass sogleich Konkurrenten aus anderen Ländern gerne in die Lücke sprängen, um aus dem eigenen Verzicht den Profit zu schlagen.

Boykotte sind stärker als reine Gesprächsdiplomatie und besser als militärische Gewalt

Es gibt viele Beispiele dafür, dass die wirtschaftliche Bestrafung von Schurkenstaaten nicht den gewünschten Erfolg brachte. Kuba unterliegt seit fast 60 Jahren einem strengen Boykottregime der USA und noch immer ist das Castro-System nicht gestürzt. Vieles spricht dafür, dass die verarmte Zuckerinsel ohne die sture US-Haltung, die das Regime in Havanna politisch stärkt, schon lange nicht mehr sozialistisch wäre. Auch in Nordkorea hat die Ausgrenzung bisher nicht viel bewegt, und es gibt Beispiele dafür, dass Boykotte sogar Menschenleben kosten. Im Irak, der nach dem Einmarsch in Kuwait 1990 bestraft wurde, sollen Hunderttausende Menschen wegen Mangels an Medikamenten und Lebensmitteln gestorben sein. Die Liste der Länder, die von Deutschland mit Exporteinschränkungen belegt sind, enthält mehr als 20 Namen, sie reicht von Ägypten bis zur Zentralafrikanischen Republik. In vielen Ländern hat das Handelsembargo wenig oder nichts gebracht.

Aber es gibt die anderen Fälle. In Südafrika hat die harte Haltung der internationalen Welt zum Fall des Apartheid-Regimes beigetragen, und deutsche Konzerne wie Daimler, BMW oder die Deutsche Bank müssen sich fragen lassen, warum sie damals trotz des internationalen Boykotts ihre Geschäfte am Kap einfach weitergeführt haben.

Wirtschaftssanktionen sind zum Teil der Politik geworden, und Unternehmen müssen sich damit abfinden, dass sie von den Politikern als Teil der Diplomatie gesehen werden. Das ist auch richtig so. Sanktionen sind der Ausdruck einer, wie man heute sagt, robusten Außenpolitik, sie sind ein stärkeres Mittel als die reine Gesprächsdiplomatie, aber sie sind allemal besser als militärische Gewalt.

Manager und Unternehmer müssen verstehen, dass sie sich nicht in einem politik- und moralfreien Raum bewegen, und dass sie zum Mittel der Außenpolitik werden können. Sie müssen auch zu Opfern bereit sein, wenn es einem größeren politischen Anliegen dient, genauso wie neue wirtschaftliche Beziehungen oft die Wegbereiter für wachsendes Vertrauen zwischen Nationen sind.

Es ist aber wichtig, dass Sanktionen auf die Besonderheiten eines Landes zugeschnitten werden. Boykottpolitik muss intelligent sein und diejenigen treffen, die in der politischen Verantwortung stehen, also die Eliten. Kluge Boykottpolitik hat eine Chance auf Erfolg. Nur darf niemand erwarten, dass sie von heute auf morgen wirkt.

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