Kommentar:Raus aus dem Labor

Ob bei Kühlschränken oder Autos: Produkttests müssen vergleichbare Ergebnisse liefern, und zwar alltagstaugliche. Sonst ist ein "A+++" wertlos. Dann zahlt der Verbraucher drauf und das Klima leidet. Das sollte sicher nicht die Norm sein.

Von Stephan Radomsky

Hauptsache, auf dem Aufkleber steht "A+++". Dann müssen der Fernseher, der Kühlschrank, das Auto doch gut sein für Umwelt und Geldbeutel. Dann kann der Verbraucher doch mit gutem Gewissen zugreifen, weil ja streng getestet wurde, nach ausgefeilten Normen und mit wissenschaftlicher Präzision. Ganz so läuft es aber nicht, leider.

Geprüft wird zwar inzwischen so ziemlich alles auf seine Umweltverträglichkeit und Effizienz hin, bevor es auf den Markt kommt. Die EU besitzt dafür eine eigene Ökodesign-Richtlinie, deren Vorgaben nach und nach verschärft werden. Produkte, die sie nicht mehr erfüllen, müssen dann vom Markt verschwinden. Prominentestes Beispiel: die Glühbirne.

Der trauern zwar viele Verbraucher noch immer nach. Trotzdem ist es sinnvoll, dass Normen immer wieder verschärft werden, um den Fortschritt im Sinne von Verbrauchern und / oder Umwelt voranzutreiben. Eine Glühbirne erzeugt eben vor allem Hitze statt Licht und verschwendet dabei massenhaft kostbaren Strom. Auch dass Autos nur noch bestimmte Mengen klima- und gesundheitsschädigender Abgase ausstoßen dürfen, wissen zumindest Großstadtbewohner und Eisbären zu schätzen.

Realitätsfremde Tests nutzen nur den Herstellern, Verbraucher und Umwelt haben den Schaden

Die Sache hat nur einen Haken: Um festzustellen, ob die Grenzwerte eingehalten werden, muss getestet werden. Und damit Ergebnisse auch vergleichbar sind, laufen die Prüfungen unter vorab genau festgelegten, konstanten Bedingungen ab. Genau dadurch aber werden sie angreifbar. Denn wird zur Abgasmessung bei Autos der immer selbe Testzyklus abgespult oder läuft zum Bestimmen des Stromverbrauchs stets das genau gleiche Video auf dem Fernseher, ist es für findige Ingenieure ein Kinderspiel, das auszunutzen. Entweder werden die Produkte - ganz legal - so entworfen, dass sie unter den Laborbedingungen eben besonders effizient arbeiten. Oder sie erkennen den Test und stellen sich - weniger legal - aktiv darauf ein, indem sie Leistung und Verbrauch künstlich drosseln. So oder so: Mit dem Alltag, den diese Tests eigentlich simulieren sollen und in dem die Produkte ihren Dienst verrichten, haben die Ergebnisse dann nur noch wenig zu tun.

Das Problem beginnt schon beim Test an sich: Labor und Haushalt haben da oft nur wenig gemein. Der Verbrauch von Kühlschränken beispielsweise wird erst gemessen, nachdem sie leer auf die Soll-Temperatur gekühlt haben. Handwarmes Bier im Tiefkühlfach und Türe auf, Türe zu kommen in diesem Szenario nicht vor. Das erzeugt zwar optimale Messwerte, die sagen dann aber nur wenig aus.

Und sollte diese Art der "Optimierung" nicht ausreichen, wird mit betrügerischer Software nachgeholfen. Volkswagen hat das beispielsweise getan, und dass es auch viele Fernsehhersteller tun, legt eine jüngst von US-Umweltschützern vorgelegte Studie zumindest nahe. Solchen Schwindel aufzudecken wird dabei durch die strengen Testvorgaben erschwert, wie das Beispiel der Autohersteller zeigt: Praktisch jeder Käufer wusste jahrelang, dass der im Datenblatt versprochene Spritverbrauch eigentlich nicht zu erreichen ist, egal bei welcher Marke. Aber wenn die Tester ihre Labors nicht verlassen und ihre Versuche nicht variieren dürfen, wie sollten sie den Schwindel denn bemerken oder gar nachweisen?

Abwechslung täte deshalb Not, trotz allem Zwang zur Normierung. Das Zufallselement könnte verhindern, dass sich Hersteller über Jahre hinweg auf den einen, immer gleichen Test einschießen können. Dazu müssten die Testzyklen so systematisch variiert werden, dass sie im Endergebnis trotzdem stets dasselbe messen, nur eben nicht immer auf dieselbe Art. Intelligente Algorithmen könnten hier helfen, Zufall zu erzeugen und trotzdem vergleichbare Ergebnisse zu erhalten. Und ganz nebenbei kämen die Ergebnisse auch dadurch denen im Alltag wieder etwas näher.

Aber nicht nur die Techniker sind gefordert, sondern auch Politiker und Beamte. Sie tragen Verantwortung dafür, dass Hersteller vieler Branchen nach wie vor mit überoptimistischen Verbrauchsangaben durchkommen. Zwar erlassen Regierungen und EU-Behörden immer neue, immer strengere Vorgaben zu Effizienz und Energieverbrauch. Wie genau es die Unternehmen aber schaffen, die gewünschten Ergebnisse zu liefern, interessierte lange offenbar niemanden. Hauptsache die Datenblätter und Aufkleber wiesen hinterher die geforderten Ergebnisse aus.

Ein "A+++" ist aber wertlos, wenn es daheim plötzlich zum "D" mutiert. Den Nutzen haben nur die Hersteller, der Verbraucher aber zahlt drauf und das Klima leidet. Und das sollte sicher nicht die Norm sein.

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