Kommentar:Pokern bis zum Schluss

Es geht wieder mal um den Länderfinanzausgleich. Der muss bis 2019 neu geregelt werden. Wer glaubt, dass bis dahin noch viel Zeit ist, irrt. Denn es stehen Wahlen an.

Von Guido Bohsem

Stellt man sich die Bundesrepublik einmal als Auto vor, so ist der Finanzausgleich zwischen Bund und den Ländern der Einspritzer. Ohne die zielgenaue Verteilung des Kraftstoffes könnte der Motor nicht zünden und die ganze Kiste würde sich keinen Zentimeter von der Stelle bewegen.

Der Länderfinanzausgleich verteilt die Steuereinnahmen des Staates, reichert so an und formt sie damit überhaupt erst zu einem zündfähigen Gemisch. Ohne Einspritzer kann kein Auto fahren, ohne Länderfinanzausgleich kann das Land nicht funktionieren. Bis Ende 2019 funktioniert der Einspritzer noch. Doch dann muss es ein neues Modell geben, soll der Staatsmotor nicht ins Stottern kommen.

Reichlich Zeit, könnte man meinen. Doch das trügt, der Wahlkalender schränkt den Spielraum drastisch ein. Schon im nächsten Jahr stehen Landtagswahlen in wichtigen Bundesländern wie Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz an. Rund um solche Termine fallen Einigungen schwer. Und im Jahr darauf wird in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und im Bund gewählt. Auch das sind keine Zeiten, in denen Politiker ruhig und gewissenhaft an der Konstruktion einer entscheidenden Maschinerie des Landes arbeiten könnten. Ob eine neu gewählte Bundesregierung die Reform hinbekommt, ist fraglich, einmal ganz davon abgesehen, dass auch 2018 gewählt wird, und zwar in Bayern. Nein, Bund und Länder müssen sich jetzt verständigen.

Eigentlich wollten Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten schon längstens einig sein über die Frage, wie die Steuereinnahmen in Zukunft über das Land verteilt werden. Doch sind alle Einigungsversuche bisher kläglich gescheitert. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der die Verhandlungen in Merkels Auftrag vorbereitet, hat bislang kein rechtes Fortune im Umgang mit seinen Kollegen auf der Länderseite.

Vieles spricht dafür, dass Wolfgang Schäuble lediglich blufft

Insbesondere die Schwesterpartei CSU und deren Chef Horst Seehofer machen dem Finanzminister schwer zu schaffen. Schon zweimal hat Seehofer Kernelemente aus Schäubles Reformvorstellungen herausgerupft und als nicht gangbar erklärt. Schäuble wollte den Solidaritätszuschlag mit der Einkommensteuer verschmelzen und so die Einnahmen daraus dauerhaft zwischen Bund und Ländern verteilen. Seehofer war dagegen und setzte bei Merkel durch, dass der Solidaritätszuschlag stattdessen langsam abgeschmolzen werden solle.

Auch ein weiterer Anlauf Schäubles scheiterte. Seehofer verwarf Schäubles Idee, die Einnahmen aus der Umsatzsteuer nicht mehr vor dem eigentlichen Finanzausgleich zu verteilen, sondern beide Schritte zusammenzuziehen. Doch auch die anderen Ministerpräsidenten sind zickig. Sie fordern mehr Geld vom Bund, zehn statt der angebotenen acht Milliarden Euro. Statt im Schnitt 99 Euro pro Einwohner mehr zu bekommen, verlangen sie 123,75 Euro.

Natürlich haben die Verhandler immer ihren eigenen Vorteil im Kopf und pokern bis zum Schluss. Die immer höheren Forderungen kommen aber eben auch deshalb zustande, weil die Regierungschefs an Seehofers Beispiel sehen können, dass Schäuble mit seinen Vorstellungen im Zweifelsfall klein beigeben muss.

Schäuble hat sich deshalb in den vergangenen Tagen zu einer Konfrontationsstrategie durchgerungen - gegen Seehofer. Aus seinem Ministerium ist jedenfalls zu hören, dass er zur Not einfach gar nichts am bestehenden System ändern werde, sondern lediglich dafür sorge, dass die Ostländer zum Ausgleich für den ebenfalls endenden Solidarpakt zusätzliche Mittel erhalten und die finanzschwachen Länder Bremen und Saarland vom Bund gestützt werden.

Seehofer wäre der größte Verlierer einer solchen Aktion, hatte der bayerische Ministerpräsident doch stets darauf gedrungen, dass die Transferzahlungen seines Landes nach Berlin und in die anderen armen Länder definitiv sinken müssten. Bleibt alles beim Alten, würde das Gegenteil geschehen. Die weiter wachsende Wirtschafts- und Finanzkraft Bayerns würde dafür sorgen, dass die Zahlungen in den Finanzausgleich weiter steigen.

Vieles spricht jedoch dafür, dass Schäuble lediglich blufft und seiner Drohung im Zweifel keine Taten folgen lassen kann. Erst wenn die Kanzlerin sich in den Streit einmischte und sich offen auf Schäubles Seite schlüge, hätte der Finanzminister eine Chance. Doch das wird nicht geschehen. Denn der Kanzlerin ist der Koalitionsfriede mit der CSU lieber. Den schmollenden Finanzminister nimmt sie im Zweifel hin, zumal sie weiß, dass Schäuble sich in seiner politischen Karriere immer wieder gefügt hat.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: