Kommentar:Neue Ehrlichkeit

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Die Niederlage der Arbeitnehmer-Vertreter bei Karstadt-Quelle zeigt, dass eine Unternehmensführung die Sanierung auch gegen den Willen der Gewerkschaft beschließen kann.

Von Karl-Heinz Büschemann

Das Management von Karstadt-Quelle zeigt im Kampf um das Überleben des Konzerns bemerkenswerte Härte.

Eine Kundin steht vor einem verschlossenen Karstadt-Warenhaus. (Foto: Foto: dpa)

Nicht nur, weil Europas größter Warenhauskonzern die Hälfte seine Kaufhäuser verkaufen will. Beachtung verdient auch, dass Christoph Achenbach und Thomas Middelhoff die harten Schnitte im Aufsichtsrat gegen die Arbeitnehmer durchgedrückt haben.

So etwas ist selten im Harmonieland Deutschland, wo Konzern-Entscheidungen gern in schönem Einvernehmen von Belegschaft und Kapitalseite ausgehandelt werden.

Die Niederlage der Arbeitnehmer-Vertreter bei Karstadt-Quelle mag diese im ersten Moment schmerzen. Niemand kann auch ausschließen, dass die Gewerkschaft Verdi recht hat und das Management mit seinen Plänen falsch liegt.

Aber in Essen zeigt sich, und das ist entscheidend, dass eine Unternehmensführung die Sanierung auch gegen den Willen der Belegschaftsvertreter beschließen kann.

Viele Kritiker des Modells Deutschland behaupten, genau dies sei wegen der Macht der Gewerkschaften unmöglich. Dafür schien manches zu sprechen: Volkswagen war bisher gegen die IG Metall nicht zu führen.

Der langjährige Chef Ferdinand Piëch hat stets vor dem Betriebsrat klein beigegeben. Heute stecken die Wolfsburger mit zu vielen Mitarbeitern und zu hohen Kosten in der Krise.

Bei Opel brachten Management und Gewerkschaft nur matte Sanierungspläne zustande. Jetzt sind die Verluste so groß, dass die Mutter General Motors in Panik eine ganze Fabrik schließen will.

Ohne die Mitbestimmung wären die richtigen Entscheidungen in beiden Unternehmen viel früher gefallen, sagen die einen. Die anderen halten dagegen, die Beteiligung der Arbeitnehmer an Management-Entscheidungen habe den sozialen Frieden gesichert und gerade in Krisen zu Lösungen geführt, die die Arbeitgeber alleine gar nicht zustande gebracht hätten.

Welche Seite Recht hat, lässt sich bei Karstadt-Quelle nicht beantworten. Der Fall eignet sich nicht als Argument für oder gegen die Mitbestimmung, aber er bringt ein wenig mehr Ehrlichkeit in die Unternehmenskultur.

Es ist ja nur eine romantische Mär, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber immer im selben Boot sitzen. Natürlich haben sie verschiedene Interessen, was denn sonst?

Die Gewerkschaften gewinnen Profil, wenn sie Kampfbereitschaft zeigen. Das Management wird letztlich am Ergebnis gemessen. Aber viele Chefs reden sich heute gerne noch darauf heraus, dass ihre schlechten Ergebnisse am Einfluss der Gewerkschaften liegen. Seit Essen zählt diese Ausrede weniger.

© SZ vom 30.09.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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