Kommentar:Nachfragen unerwünscht

Die Deutsche Bank will mit den Skandalen der Vergangenheit aufräumen. Aber bei heiklen Fällen wie den Libor-Manipulationen mauert der Aufsichtsrat - kein guter Start für die neue Kampagne und den Kulturwandel des Instituts.

Von Meike Schreiber

Im Entschuldigen haben sie bei der Deutschen Bank inzwischen Übung: In seitenfüllenden Anzeigen bat Vorstandschef John Cryan erst vor wenigen Wochen um Vergebung für die Verfehlungen des größten deutschen Geldhauses. Und Aufsichtsratschef Paul Achleitner räumte kürzlich ein, man müsse eben viel besser erklären, "warum man was und wann tut". Besser erklären, was man tut: Wenn sich der 60-jährige Österreicher an diesem Donnerstag auf der Hauptversammlung für weitere fünf Jahre zur Wahl stellt, dann sollten ihn die Aktionäre beim Wort nehmen. Denn in einem wichtigen Fall, der die Skandale der Vergangenheit betrifft, erklärt Achleitner bislang gerade nicht, warum er "was und wann" getan hat. Solange aber ausgerechnet der Aufsichtsratschef mauert, läuft der Kulturwandel der Bank auch im zweiten Anlauf ins Leere. Solange bleibt das größte deutsche Geldinstitut unglaubwürdig in seinem Streben nach Läuterung.

Kritische Aktionäre mit Hilfe von China und Katar auszubremsen wäre ein Fehler

Konkret geht es um einen heiklen Vorgang, der wohl längst im Wust der zahlreichen Skandale der Bank untergegangen wäre, hätte nicht der damalige Aufsichtsrat Georg Thoma nachgehakt, woraufhin ihm seine Aufsichtsratskollegen sogleich "juristischen Übereifer" vorwarfen und ihn aus dem Amt jagten. Wissen wollte der Rechtsanwalt Thoma lediglich, wer schuld daran ist, dass die britische Finanzaufsicht FCA der Bank 2015 eine von 126 auf 226 Millionen Pfund fast verdoppelte Strafe auferlegte, nur weil das Geldhaus bei der Aufklärung der Libor-Manipulationen geschlampt hatte. Viele Banken hatten über Jahre hinweg Zinssätze wie Libor oder Euribor manipuliert und dafür teilweise hohe Strafen zahlen müssen.

Im Vergleich zu den mehr als 12 Milliarden Euro, die die Bank Behörden in aller Welt bereits für windige Geschäfte gezahlt hat, muten die 100 Millionen Pfund Extrastrafe zwar gering an. Der Fall zeigt aber beispielhaft, wie nachlässig das Institut bei der Aufklärung der diversen Skandale war. Auch in anderen Fällen zahlte die Deutsche Bank deutlich höhere Strafen als ihre Konkurrenten. Mal war nur das Chaos in der Bank schuld, mal wollten sich die Topmanager womöglich auch gegenseitig schützen.

In diesem Fall jedenfalls warfen die britschen Aufseher der Bank unter anderem vor, ihr 2013 einen Untersuchungsbericht der deutschen Finanzaufsicht Bafin zum Libor-Fall vorenthalten zu haben. Auch Achleitner war in diese Vorgänge einbezogen, ebenso weitere Ex-Vorstände.

Mit Hilfe einer internen - aber nie veröffentlichten - Untersuchung im Auftrag des Vorstands hatte sich Achleitner 2016 bescheinigen lassen, dass zumindest er in dieser Sache keinerlei Pflichten verletzt habe. Umgekehrt ließen sich wohl auch die Ex-Vorstände vom Aufsichtsrat bescheinigen, dass sie korrekt gehandelt hätten. Rechtsvorstand Karl von Rohr sekundierte Anfang Mai, es habe bereits intensive Untersuchungen dazu gegeben, sowohl im Auftrag des Vorstands als auch durch mehrere Aufsichtsbehörden. Weitere Untersuchungen seien daher nicht im Interesse des Unternehmens. Thema abgehakt, Nachfragen unerwünscht.

Wer aber war nun für die mangelhafte Kooperation und damit die höhere Strafe verantwortlich? Zwar werden die Aktionäre auf der Hauptversammlung darüber abstimmen können, ob sich externe Sonderprüfer die Sache noch einmal anschauen. Eine kritische Aktionärin hatte durchsetzen können, diesen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen. Und der Antrag wird wohl auch ein gewisses Maß an Zustimmung erhalten, da mächtige Stimmrechtsberater ihn unterstützen. Auch sie kritisieren die "überwältigende Intransparenz" der Bank in diesem Punkt. Aber mithilfe der neuen Großaktionäre aus China und Katar wird Achleitner den Antrag wahrscheinlich abschmettern können. Für sie spielt die Affäre keine Rolle: Sie haben selbst Vertreter im Aufsichtsrat und können ihre Interessen, welche auch immer das sind, anders durchsetzen.

Wird der Antrag wie erwartet abgelehnt, sollte die Bank den Vorgang endlich erklären. Das wäre auch ein wichtiges Signal an Belegschaft und Öffentlichkeit: Andernfalls könnte sich manch ein Banker, der vielleicht die Gelegenheit für ein krummes Geschäft wittert, denken: Es wird schon nicht herauskommen.

Gerade hat sich die Bank einen neuen Slogan verpasst, oder besser einen Hashtag. Unter #PositiverBeitrag kann jeder Mitarbeiter sagen, welchen Beitrag er leistet, damit die Bank wieder nach vorne kommt. "Ich kläre jetzt mal die Vergangenheit auf", könnte Achleitner schreiben; das ist mein #positiverBeitrag. Es wäre nicht nur gut für die Bank, der Aufsichtsratschef könnte auch befreit in eine neue Amtszeit gehen.

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