Kommentar:Monopolist Zuckerberg

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Was soll es schon nützen, wenn die EU-Kommission gegen scheinbar übermächtige US-Konzerne wie Facebook oder Google vorgeht - das fragen sich viele. Doch sie liegen falsch, es ist die ureigenste Aufgabe der EU. Und Brüssel hat auch schon eine ganze Menge bewirkt.

Von Alexander Hagelüken

Die Zeiten, in denen die Datenmaschine Facebook herrlich unbehelligt Gewinnmilliarden aufhäufte, sind offenbar vorbei. Vorsichtiger gesagt: Sie könnten es sein. Seit Wochen hagelt es Kritik wegen der Verbreitung erfundener Nachrichten jener Güte, Hillary Clinton betreibe einen Kinderpornoring in einer Pizzeria. Was prompt dazu führte, dass ein Amerikaner in dem Lokal herumballerte. Noch ist die Frage, wie Denunziationen Wahlkämpfe wie in den USA beeinflussen, nicht ausgestanden - da hat Facebook den nächsten Ärger.

Die Brüsseler Kommission wirft dem sozialen Netzwerk vor, bei der Übernahme des Chatdienstes Whatsapp 2014 gelogen zu haben. Damals behauptete der Konzern, die Daten von Facebook- und Chat-Nutzern ließen sich nicht automatisch verbinden. Diesen Sommer jedoch kündigte Marc Zuckerbergs Firma an, künftig Whatsapp-Telefonnummern und Facebook-Profile zu verknüpfen. Das ermöglicht zum Beispiel, die jeweils mehr als eine Milliarde Nutzer beider Angebote mit gezielter Werbung zu beglücken.

Falls sich der Vorwurf der Lüge erhärtet, droht dem Konzern eine Geldstrafe - und die penible Prüfung aller künftigen Firmenkäufe. Es ist dieses falls, das Zweifler entmutigt. Sie argumentieren: EU-Verfahren gegen US-Technikkonzerne dauern Jahre, binden sagenhaft politische Energie und bringen am Ende wenig.

Microsoft musste in den Nullerjahren zwar Hunderte Millionen Euro Strafe zahlen, doch dem war ein zehnjähriger Prozess vorangegangen. Und während Brüssel den Bürgern bei Produkten zum Abspielen von Musik und Videos die Auswahl erhalten wollte, hatte Microsoft seine Rivalen längst verdrängt. Und was erreicht Brüssel schon gegen die Dominanz von Google?, fragen die Zweifler. Gegen Google laufen seit 2010 Verfahren, bisher ohne Ergebnis. Technik verändert sich zu schnell, als dass Brüsseler Bürokraten hinterherkämen, lautet die Generalkritik.

Die Skeptiker verkennen, dass es die ureigene Aufgabe der EU-Kommission ist, gegen die Macht der Technik-Riesen anzugehen. Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts. Mehrere US-Konzerne werden gerade via Daten zum Monopolisten, wie es John D. Rockefellers Standard Oil zu Beginn des 20. Jahrhunderts war. Google dominiert unter anderem die Internetsuche und jubelt dem Sucher dabei passende Werbung unter. Auch Facebook greift stetig größere Marktanteile bei Werbung ab, während sich Nutzer seines dominanten sozialen Netzwerks in Filterblasen isolieren, in der sie die eigene Meinung auch bestätigt finden, wenn sie faktenfrei ist.

Übergroße Marktmacht ist immer schlecht, weil sie die Auswahl reduziert und den Preis verteuert, den der Verbraucher auf die eine oder andere Weise zahlt. Sie erzeugt am Ende auch Wut der Bürger auf übermächtige Konzerne, die sich im aktuellen Populismus bereits niederschlägt.

Die Reaktion auf Rockefellers Öl-Monopol war die Zerschlagung in 34 Teilfirmen. Die Reaktion auf die Marktmacht der jetzigen Technik-Riesen ist richtigerweise, dass Brüssel etwa das Gebaren von Google untersucht. Platziert der Konzern die Suchergebnisse seines Preisvergleichsportals besser als die anderer Einkaufsangebote? Trickst er bei den Anzeigen?

Das Verfahren gegen Facebook rührt an den Kern des Geschäftsmodells

Die Generalkritik, EU-Verfahren brächten wenig, ist falsch. So zwang die Kommission Microsoft, dem Nutzer von Windows eine Wahl zu geben. Statt automatisch mit dem Microsoft-Browser zu surfen, konnten sie Konkurrenzangebote aussuchen. Die Dominanz des Microsoft-Explorers, die mancher Skeptiker damals als zementiert ansah, ist heute weg. Browser von Google oder Mozilla liegen vorne. Das liegt auch am Vorgehen Brüssels.

Das Verfahren gegen Facebook rührt an den Kern des Geschäftsmodells. Genau wie Google schluckt Facebook Anbieter verwandter Produkte, bevor die gefährlich werden. Die Wettbewerbswächter in Europa und den USA stuften die Übernahme von Whatsapp als unbedenklich ein, weil sie soziale Netzwerke und Chatdienste als verschiedene Märkte einstuften. Damit lagen sie wohl falsch, wie die Verbindung der Nutzerdaten nahelegt. Hat Facebook die Behörden 2014 wirklich angelogen, sollte es nicht nur Strafe zahlen - Brüssel sollte die Übernahme stoppen. "Wettbewerb ist für Verlierer", sagt Facebook-Investor Peter Thiel. Es ist höchste Zeit, Thiel und Co. Einhalt zu gebieten, bevor sie weiter unbehelligt Milliarden auf Milliarden häufen.

© SZ vom 22.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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