Kommentar:Lasten der Vergangenheit

Bahn, Post, Lufthansa: Sie sind oder waren Staatsbetriebe. Das ist bis heute zu spüren, die Probleme sind groß.

Von Caspar Busse

Insgesamt zwölf Mal haben die Piloten bei Lufthansa seit dem Frühjahr 2014 schon gestreikt. Und jetzt, zur Hauptreisezeit im Sommer, droht der 13. Ausstand. Dabei gab es bereits vorsichtige Hoffnung auf ein Ende der Auseinandersetzung. Nach dem fürchterlichen Absturz einer Germanwings-Maschine war vorübergehend Ruhe eingekehrt. Zuletzt hatte es sogar danach ausgesehen, als ob die beiden Kontrahenten in diesem Tarifkonflikt - das Lufthansa-Management und die Piloten-Gewerkschaft Vereinigung Cockpit - sich bald an einen Tisch setzen würden. Doch die Vorgespräche über den Einstieg in eine Schlichtung sind in der vergangenen Woche gescheitert. Der ehemalige Bundesfinanzminister Theo Waigel, der als Schlichter auserkoren war, muss seinen schwierigen Job gar nicht erst antreten.

Der Streit bei Lufthansa geht weiter. Zwei andere, mindestens genauso öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzungen sind dagegen in den vergangenen zwei Wochen beigelegt worden. Sowohl bei der Deutschen Bahn als auch bei der Deutschen Post haben Vorstand und Gewerkschaft Lösungen gefunden - endlich. Glücklicherweise auch zum Wohle der Unternehmen. Die Hartnäckigkeit hat sich gelohnt. Nun fehlt nur noch Lufthansa. Die Zeit drängt. Taugen Bahn und Post als Vorbild?

Dort haben die Gewerkschaften jedenfalls alles andere als glorreiche Siege davongetragen. Bei der Post zumindest steht Verdi nach immerhin 52 harten Streiktagen und großen Beeinträchtigungen des Postverkehrs in Deutschland als eindeutiger Verlierer da. Und die Lokführergewerkschaft GDL hat ihre Ziele auch nicht ganz erreicht. Ob sich die Piloten bei Lufthansa mit ihrem Betonkurs durchsetzen werden, ist fraglich. Vorstandschef Carsten Spohr, selbst ausgebildeter Pilot, will jedenfalls bis zum Äußersten kämpfen.

Bahn, Post, Lufthansa: Sie sind oder waren Staatsbetriebe. Das ist bis heute zu spüren

In allen drei Auseinandersetzungen geht es um bedeutende Tarif-Fragen, um Lohnanhebungen von einem oder zwei Prozent. Es geht um die Lasten der Vergangenheit, auch um großzügige Privilegien von Mitarbeitern, die heute, angesichts von Null-Zinsen, nicht mehr unbedingt zu finanzieren sind. Es geht damit um die Zukunft von drei der wichtigsten Unternehmen. Diese haben vor langer Zeit ihren Beschäftigten Zugeständnisse gemacht, die sie heute in einem sich verschärfenden Wettbewerb nicht mehr halten können. Es ist legitim, dass Gewerkschaften für die Rechte der Arbeitnehmer kämpfen. Es ist aber genauso wichtig, dass die Unternehmen auch in Zukunft am Markt bestehen, expandieren und damit die Jobs sichern können.

D wie deutsch: Deutsche Bahn, Deutsche Post, Deutsche Lufthansa sind oder waren Staatsunternehmen. Die Bahn ist privatisiert, aber noch immer zu 100 Prozent in Besitz des Bundes. Die Deutsche Post, heute eines der größten Logistikunternehmen der Welt, ist inzwischen ein erfolgreicher Dax-Wert, der Bund ist noch indirekt über die Staatsbank KfW mit unter 25 Prozent beteiligt, der Einfluss überschaubar. Lufthansa ist seit 1997 vollständig privatisiert.

Bei den dreien sind die Lasten aus der Vergangenheit besonders virulent. Die Vergütungs- und Ruhestandsmodelle, um die gestritten wird, stammen größtenteils aus früheren Zeiten, als der Staat noch bestimmend war. Andererseits sind die Gewerkschaften in den ehemaligen und aktuellen Staatsunternehmen besonders stark, die Organisationsquote nach wie vor hoch. Inzwischen haben sich die Märkte geöffnet, die Geschäfte sind internationaler geworden, die Konkurrenz hart. So hat Lufthansa mit arabischen Fluglinien wie Emirates zu kämpfen, die es auch auf das lukrative Geschäft mit Geschäftskunden abgesehen haben. Auf der anderen Seite rücken ihr Billig-Airlines wie Ryanair auf den Leib, die vor allem auf europäischen Strecken sehr viel billiger arbeiten.

Ähnlich ergeht es der Post, vor allem im Paketversand. Der Markt wächst zwar dank eines boomenden Online-Handels, Konkurrenten aber zahlen ihren Paketboten deutlich niedrigere - zu niedrige - Löhne. Die Folge sind prekäre Arbeitsverhältnisse in der Branche. Die Post hat nun neue Firmen gegründet, um die Löhne für neue Mitarbeiter zu drücken. Statt nach Haustarif wird nun nach Logistiktarif gezahlt. Das ist für die neuen Beschäftigten bitter, aber die Löhne sind immer noch besser als bei der Billigkonkurrenz.

Lufthansa-Piloten schweben natürlich in ganz anderen Gehaltssphären. Aber im Grundsatz gilt auch hier: Auf Dauer kann ein Unternehmen nicht deutlich mehr zahlen als die Konkurrenz, und gleichzeitig am Markt erfolgreicher sein.

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