Kommentar:Lasst die Steuer atmen

Das Wirtschaftsministerium hat - ganz vorsichtig - den Vorschlag gemacht, die Steuer auf Sprit flexibel zu gestalten. Ist er teuer, sinkt die Steuer, ist er billig, geht sie hoch. Doch sofort greifen die alten Reflexe. Dabei ist die Idee keineswegs abwegig.

Von Michael Bauchmüller

Autofahren macht mal wieder richtig Spaß diesen Sommer. Der Liter Diesel knapp über einen Euro, Super 20 Cent mehr - das verspricht Gasgeben ohne Reue, mitten in der Urlaubszeit. Mehr noch: Saudi-Arabien fördert weiter Öl auf Teufel komm raus, das verspricht noch mehr günstigen Sprit. Wären da nur nicht diese nervigen Spielverderber aus dem Wirtschaftsministerium.

Ganz vorsichtig, versehen mit allerlei Konjunktiven, Einschränkungen und Fragezeichen, haben sie dieser Tage die Idee einer flexiblen Mineralölsteuer ins Gespräch gebracht. Sie könnte steigen, wenn die Spritpreise niedrig sind, und wieder sinken, wenn das Tanken teurer wird. "Denkbar", so heißt es denkbar unkonkret in einer Ideensammlung des Ministeriums, sei eine "Indexierung von Steuersätzen". Die bloße Andeutung aber hat schon für eine Welle der Empörung gereicht. Alexander Dobrindt, der Verkehrsminister von der CSU, entdeckte sogleich einen "dreisten Griff in die Steuerzahlertasche"; Parteifreunde wähnten einen Versuch, deutsche Autofahrer zu "schröpfen". Wenn es an die Mineralölsteuer geht, funktionieren hierzulande zuverlässig die immer gleichen Reflexe; eine Tempolimit-Debatte würde kaum anders verlaufen. Da hört der Spaß auf. Leider.

Die flexible Abgabe verdient eine ernsthaftere Debatte

Denn die Idee einer "atmenden" Steuer hat einiges für sich. Niedrige Spritpreise, wie die Welt sie seit Anfang 2015 erlebt, setzen grundfalsche Anreize. Sie verlocken nicht nur, öfter mal Gas zu geben, sondern machen Autos mit hohem Verbrauch attraktiver. Während Staaten feierlich mehr Klimaschutz geloben, greifen Verbraucher vermehrt zu großen Autos. Die Statistik spricht auch hierzulande Bände: Die Zulassung kleiner und kompakter Autos stagniert oder sinkt. Spritfressende SUVs aber verkaufen sich Monat für Monat besser. Dummerweise verbrauchen die auch dann noch viel Sprit, wenn die Ölpreise irgendwann wieder anziehen. So treiben niedrige Kraftstoffpreise die Industriestaaten weiter in eine Abhängigkeit, die sie eigentlich überwinden wollen. Aber vielleicht gehört das auch zum Kalkül der Förderländer.

Dieser Effekt ließe sich abfedern, wäre die Steuer flexibler. Sie würde den Autofahrern dann mehr abknöpfen, wenn der Kraftstoff ohnehin günstig ist, sie aber entlasten, wenn der Ölpreis mal wieder durch die Decke geht. Anders als Kritiker behaupten, ist das weder sozial ungerecht noch ein Verstoß gegen Prinzipien der Marktwirtschaft. Als Verbrauchsteuer belastet die Mineralölsteuer diejenigen am stärksten, die besonders viel fahren oder besonders viel PS unter der Haube haben. Und die Pendler, die als betroffene Gruppe gerne vorgeschickt werden, profitieren auch von einer gedämpften Steuerlast in Zeiten hoher Spritpreise.

Dass eine solche Steuer in das freie Spiel der Marktkräfte eingreift, wie nun etwa FDP-Politiker anprangern, ist gerade ihr Zweck: Viele Verbrauchsteuern sollen lenken, sie sollen wahlweise Alkohol-, Tabak- oder Energieverbrauch verteuern und so drosseln (nicht selten beglücken sie auch den Finanzminister). Derlei Lenkungswirkung aber verpufft, wenn der Gegenstand der Besteuerung derart im Preis verfällt wie zuletzt das Mineralöl.

Für die Umwelt hat das gravierende Folgen. Mehr Kilometer mit größeren Motoren heißt auch mehr Stickoxide in den Städten. Die Treibhausgasemissionen aus dem Verkehr sind mittlerweile wieder auf dem Niveau des Jahres 2005 angelangt. Zwischenzeitlich lagen sie weit darunter - aber da waren Benzin und Diesel auch wesentlich teurer. Umweltfreundliche Alternativen dagegen geraten massiv ins Hintertreffen, seien es öffentliche Verkehrsmittel oder Autos mit emissionsarmem Elektroantrieb. Die Bundesregierung, die gerade eine Milliarde Euro in Kaufprämien für E-Autos und den Aufbau von Ladesäulen steckt, könnte der guten Sache mit einer flexibel gestaffelten Mineralölsteuer einen größeren Dienst erweisen als mit manch teurer Förderung.

Die bittere Wahrheit ist freilich eine andere. Während deutsche Regierungen einer sauberen Mobilität das Wort reden und auf Jahrzehnte hin Klimapläne schmieden, sehen sie seit Jahren zu, wie die Mineralölsteuer sinkt. Nichts anderes passiert, wenn eine Steuer in festen Cent-Beträgen je Liter erhoben wird, diese Beträge aber Jahr um Jahr durch Inflation entwertet werden. Zwölfmal ist die Steuer zwischen 1986 und 2003 angehoben worden. In den vergangenen 14 Jahren aber geschah das kein einziges Mal - während die Verbraucherpreise um fast 21 Prozent stiegen. Möglich gemacht haben das dieselben Reflexe, die nun aus einer bloßen Idee einen "dreisten Griff in die Steuerzahlertasche" machen. Sie hätte eine ernsthaftere Debatte verdient.

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