Kommentar:Keine Angst vor Trump

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Die US-Notenbankchefin hat erneut die Zinsen erhöht, obwohl ihr die Missbilligung von Amerikas Präsidenten Donald Trump sicher ist. Die Ökonomin beweist damit Mut, der zahlreichen Firmenbossen in den Vereinigten Staaten abgeht.

Von Alexander Hagelüken

Janet Yellen gehört zu den eher unbeirrbaren Akteuren der Weltwirtschaft. Die US-Notenbankchefin hat erneut die Zinsen erhöht, obwohl ihr die Missbilligung von Amerikas Präsident Donald Trump sicher ist. Die Ökonomin beweist damit Mut, der zahlreichen Firmenbossen in den Vereinigten Staaten abgeht. Während sich die Manager vor dem Präsidenten wegducken, der in die Wirtschaft reinquatscht wie ein Despot, beharrt Yellen auf ihrem Kurs. Durchaus mit persönlichem Risiko. In etwa einem Jahr läuft ihr Vertrag an der Spitze der mächtigsten Zentralbank des Erdballs aus. Über die Verlängerung entscheidet: der Präsident.

Trump passt Yellens Kurs aus verschiedenen Gründen nicht in den Kram. Höhere Zinsen locken Geldanleger an, was den Dollarkurs weiter nach oben treibt, Exporte erschwert und das Außenwirtschaftsdefizit steigert. Auch verteuern höhere Zinsen das staatliche Schuldenmachen. Beides konterkariert Trumps Pläne, durch mehr Exporte mehr Industriejobs zu schaffen und außerdem auf Pump die Konjunktur anzukurbeln.

Draghis Geldpolitik hat den Euro gerettet. Nun muss er umdenken

Indem sie ihren Handlungsspielraum ausnutzt, solange sie ihn noch hat, erweist Yellen den USA aber einen Gefallen. Die frühere Harvard-Professorin hat recht. Die amerikanische Wirtschaft läuft, es entstehen viele Arbeitsplätze, und die Preise steigen - im Februar nahmen sie im Vergleich zum Vorjahr um fast drei Prozent zu, so stark wie seit fünf Jahren nicht mehr. Wann, wenn nicht jetzt, soll die Zentralbank die Zinsen erhöhen, um die Inflation in Schach zu halten - die andernfalls die Ersparnisse der Bürger annagt und die Wirtschaft destabilisiert?

Man könnte der 70-Jährigen, wenn überhaupt, nur einen Vorwurf machen: Sie ist womöglich sogar zu zögerlich bei der Straffung der Geldpolitik. Heizt Trump wie erwartet die Wirtschaft auf Pump inflationär an, muss die Notenbankerin entschiedener gegensteuern. Auch die von manchen erwartete klare Ansage einer schärferen Zinspolitik lieferte Yellen diese Woche nicht. Einige Beobachter deuten dies als Zeichen eines Schmusekurses der Fed-Chefin. Wahrscheinlicher ist dagegen, dass Yellen einfach in Ruhe ihre Agenda abarbeiten will, ohne sich öffentlich Scharmützel mit dem Twitter-Politiker zu liefern. Ihr grober Plan sieht vor, die Zinsen dieses Jahr noch zwei Mal zu erhöhen, um dann in zwei Jahren wieder bei etwa drei Prozent angekommen zu sein. Das wäre kein Hochzins, sondern nur eine Normalisierung - nach der Nullzins-Ausnahmephase, die wegen der Finanzkrise begann und fast acht Jahre dauerte.

Mit dieser Normalisierung würde Yellen der ganzen Welt einen Gefallen erweisen. Zentralbanken in vielen Industriestaaten verhinderten nach der Finanzkrise den Absturz und fördern seitdem die konjunkturelle Erholung nach diesem Megaschock. In Europa kam noch die Euro-Krise hinzu, der die Europäische Zentralbank (EZB) Kontra gab. Der Dauereinsatz war zumindest in den Anfangsjahren richtig, doch nun sollte er langsam enden.

Warum? Politiker gewöhnen sich an niedrige Zinsen wie an Drogen: Sie ersparen ihnen wirtschaftliche Reformen, jedenfalls vorübergehend. Außerdem löst das billige Geld so krasse Nebenwirkungen aus wie gefälschte Medikamente aus China. Weil Kredit nichts kostet, pumpt es Blasen bei Aktienkursen und Hauspreisen auf. Die zu lange zu laxe Geldpolitik von Yellens Vor-Vorgänger Alan Greenspan war eine der Ursachen, warum es überhaupt zur Jahrhundert-Finanzkrise von 2008 kam - deren Fallout Zentralbanker, Ironie der Geschichte, seitdem mit laxer Geldpolitik bekämpfen. Tun sie das zu lange, erzeugen sie die nächste Krise.

Hoffentlich kann Yellen die Normalisierung so weit wie möglich vollenden - bis Mitte nächsten Jahres kann Donald Trump fünf von sieben Vorstandsposten der Fed neu besetzen. Was in Amerika geschieht, ist auch ein wichtiges Signal an Europa. Dort tüftelt EZB-Präsident Mario Draghi über den Zeitpunkt für den Ausstieg aus dem billigen Geld. Bisher hat er nur sehr vage Anzeichen gegeben, vager, als es etwa Bundesbankchef Jens Weidmann lieb ist.

Kein Zweifel, Draghis Geldpolitik hat den Euro gerettet. Nun allerdings droht er zu hohe Kosten zu produzieren, wenn er wie einst Alan Greenspan zu lange daran festhält. Die niedrigen Zinsen und Ankaufprogramme nehmen Politikern in Italien, Portugal und Frankreich den Druck, der sie sonst zu mehr Reformen nötigen würde. Überflüssige Banken bleiben künstlich am Leben. Und in die Altersvorsorge von Millionen Bürgern gerade in Deutschland reißen die Nullzinsen empfindliche Lücken.

Herr Draghi, kehren Sie um.

© SZ vom 17.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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