Kommentar:Kein Acker für Anleger

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Bauern beklagen sich, dass sie kein Land dazukaufen können, weil Anleger die Preise hochtreiben. Der Staat sollte die Landwirte besser vor anderen Käufern schützen.

Von Hans von der Hagen

Viele Bauern stellen fest, dass sie in den vergangenen Jahren reich geworden sind. Zumindest auf dem Papier: Das Land, das ihnen gehört, hat an Wert erheblich zugelegt. Für sie als Eigentümer ist das angenehm - für Bauern, die nicht genügend Land besitzen, allerdings ein Problem. Viele können die Existenz ihrer Höfe nicht mehr sichern, weil die Einkommen mit den Preisen für Land nicht mehr schritthalten.

Warum ist Land so teuer geworden? Schnell scheinen die Schuldigen festzustehen: Investoren zum Beispiel. Und die Agrarkonzerne, die von den Anlegern mit viel Geld ausgestattet werden. Hatte es nicht die Börsenlegende Warren Buffett allen zugerufen: In 100 Jahren, so formulierte er, verwandelt sich Ackerland in Gold. Die Frage nach dem Warum ist wichtig, denn sie gibt auch Antwort auf die Frage: Wie lange noch? Wie lange wird der Preisboom bei den Flächen noch anhalten? Geld von außerhalb der Landwirtschaft ist schnell wieder weg, wenn andere Anlagen attraktiver werden. Vor allem aber klärt das Warum, ob Landwirte recht haben, wenn sie Investoren pauschal vorwerfen, sie zerstörten mit ihrem Geld die bäuerliche Landwirtschaft.

Die Bauern, denen es an Land fehlt, sitzen vor allem im Osten

Wer sich auf die Suche nach Antworten begibt, stellt rasch fest: Deutschland ist in der Landwirtschaft noch geteilt. Das liegt an den Besitzstrukturen: Im Westen bewirtschaften weit mehr Bauern eigenes Land als im Osten, wo Landflächen nach dem Zweiten Weltkrieg verstaatlicht wurden. Entsprechend fällt die Bewertung der Probleme unterschiedlich aus. In Westdeutschland fürchten die Bauern höchstens die Agrarkonzerne aus den Niederlanden, nicht aber Investoren, die ihnen im großen Stil Land wegkaufen. Landgrabbing? Was soll das sein?

Ganz anders ist es im Osten. Hier wurden nach der Wende vom Staat große, zusammenhängende Flächen verkauft. Perfekt für all jene, die in die Landwirtschaft einsteigen wollten. Viele haben das getan: Unternehmerfamilien, Aktiengesellschaften und Investoren. Immer wieder merken nun die Bauern, dass sie bei den Preisen für Land nicht mehr mithalten können. Gegen Geld, das außerhalb der Landwirtschaft verdient oder eingesammelt wird, kommen sie nicht an. Schlimmer noch: Oft erfahren sie gar nicht erst, wenn Land angeboten wird. Es landet auf verschlungenen Wegen bei Unternehmen. So ist zu erklären, dass Namen wie KTG Agrar von Aktionären einst als süßes Versprechen für ein Investment in nachhaltige Landwirtschaft wahrgenommen wurden - bei Bauern in Ostdeutschland hingegen als Unheil. Darum engagieren sich dort viele Landwirte in Kampagnen gegen Landgrabbing.

Nun ist es gar nicht so leicht, überhaupt an Land zu kommen, denn das Gesetz schützt die Bauern. Land soll sich nicht in wenigen Händen konzentrieren und Investoren der Zugang verwehrt werden. Aber Gesetze lassen sich aushebeln. Wenn ein Investor nicht kaufen darf, findet er halt einen Landwirt, der das für ihn übernimmt. Oder es wird eine Firma übernommen, die Land besitzt - aber nicht das Land selbst.

Solche Vorgänge machen die Verhältnisse in der Landwirtschaft intransparent und die Beantwortung der eingangs gestellten Frage nach dem Warum fast unmöglich. So wie die Bauern mitunter vorschnell Investoren für die extremen Preissteigerungen verantwortlich machen, wischen Ökonomen die Vorwürfe womöglich zu schnell beiseite, wenn sie den Bauern erklären, dass ja sie selbst die Preistreiber seien. Fakt ist: Selbst Experten können das Engagement von Finanzinvestoren derzeit nicht beziffern, zumal ausgerechnet das wohl besonders betroffene Bundesland Brandenburg Forschern zuletzt den Blick ins Archiv verwehrt hat.

Was bleibt, sind Indizien: Behörden in Ostdeutschland stellen fest, dass es seit Beginn der Niedrigzinsphase großes Interesse von Geldanlegern an Nutzflächen gibt. Das ist ein Beleg dafür, dass in der Landwirtschaft tatsächlich großes Potenzial liegt. Doch die Frage ist, wie es genutzt wird: Sollen davon Renditejäger profitieren - oder alle? Alle hätten etwas davon, wenn die Politik Land konsequenter als bisher vor dem Zugriff von Anlegern schützt und damit zumindest eine Ursache möglicher Preissteigerungen ausschließt. Das würde es vor allem kleineren Betrieben einfacher machen, zu überleben und eigene Ideen durchzusetzen. Wer glaubt, moderne Landwirtschaft müsse nur einfach groß und effizient sein, um gut zu funktionieren, sollte sich in Ostdeutschland umsehen. Dort tut sich Erstaunliches. Kleine Ökobetriebe bringen mit viel Engagement Leben zurück in die Dörfer. Es wäre schade, wenn das am nicht vorhandenen Land scheitert.

© SZ vom 07.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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