Kommentar:Jenseits von Ackermann

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Seit Wochen schlittert die Deutsche Bank von einer schlechten Nachricht zur nächsten. Aber das Institut ist nur ein Extrembeispiel für die generelle Krise der europäischen Banken. Sie sind derzeit zu schwach, um nachhaltig Geld zu verdienen.

Von Nikolaus Piper

Mitleid muss niemand haben, wenn die Deutsche Bank in diesen Tagen von Börse, Politik und Öffentlichkeit abgestraft wird. Sie wird bestraft für alte Fehler, für Arroganz den Kunden und den amerikanischen Justizbehörden gegenüber und ganz allgemein für den Ausflug ins New Yorker Investmentbanking, der das deutsche Traditionsinstitut ganz offenkundig überfordert hat. Die Zeiten von Josef Ackermann und Anshu Jain sind vorbei, jetzt wird ein neues, profitables Geschäftsmodell gesucht. Niemand kann bisher erkennen, wie das aussehen soll.

Das alles ist einigermaßen beunruhigend, wenn man die Stellung der Deutschen Bank in der deutschen Wirtschaft in Rechnung stellt. Aber es ist nicht das ganze Bild. Die Deutsche ist nur das extremste Beispiel für das, was in den meisten Geldhäusern Europas acht Jahre nach der Finanzkrise geschieht. Die Commerzbank streicht 9500 Stellen, die holländische ING 7000, Italiens Banken warten auf großzügige Hilfen des Staates. Ein großer Teil der europäischen Institute sei zu schwach, um nachhaltig Gewinne erwirtschaften zu können, sagt der Internationale Währungsfonds ungewöhnlich deutlich. Und die Ratingagentur Moody's warnt vor den hohen Kosten der deutschen Banken. Ja, es hat Fehler und Fehlverhalten in den Chefetagen gegeben, nicht nur bei der Deutschen Bank. Es wäre aber fahrlässig, dabei stehen zu bleiben. Noch viel wichtiger ist, dass sich die Bankenwelt derzeit sehr schnell und sehr radikal ändert. Von einem "Weiter so" wie vor der Finanzkrise ist schon lange nicht mehr die Rede. Eher geht es um ein "Ob überhaupt": Können die Institute heute noch seriös mit Geld Geld verdienen?

Die staatlichen Regeln für Finanzmärkte und Institute sind - zum Glück - schärfer geworden, hohe Strafen fallen an als Erblast der wilden Zeiten vor der Finanzkrise. Die Banken müssen mehr Kapital vorhalten, was an den Gewinnen zehrt. Es gibt neue Konkurrenz von Schattenbanken, Fintechs und Unternehmen wie Paypal. Wegen der Null- und Negativzinsen lässt sich an der Zinsmarge kaum noch verdienen. Die Digitalisierung erfordert riesige Investitionen. Und schließlich ist das in der Finanzkrise zerstörte Vertrauen in die Banken noch lange nicht wiederhergestellt. Es mag töricht sein, wenn der Wirtschaftsminister der viertgrößten Volkswirtschaft der Erde die immer noch größte Bank seines Landes in einer überaus gefährlichen Situation beschimpft, weil sie "das Spekulantentum zum Geschäftsmodell" erhoben habe. Sigmar Gabriels Sätze sind aber auch instruktiv für Bankmanager: Genauso negativ ist die Stimmung in der Bevölkerung, und zwar nicht nur in Deutschland.

Und es betrifft nicht nur Europa. Der frühere US-Finanzminister Larry Summers und die Harvard-Ökonomin Natasha Sarin bezweifeln in einer bemerkenswerten Studie für die Brookings Institution, dass die großen internationalen Banken heute tatsächlich sicherer sind als vor zehn Jahren. Zwar hielten sie tatsächlich viel höhere Kapitalreserven als Puffer gegen mögliche Krisen. Dafür bewerteten die Märkte deren Geschäft jedoch viel kritischer, weil sie Zweifel an dessen Zukunft hätten. Die beiden Dinge glichen sich letztlich aus.

Es scheint, als habe die Sanierung des Kreditsektors in Europa gerade erst begonnen.

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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