Kommentar:In Geiselhaft

Europas größter Elektronikhändler ist durch das eitle Gezänk seiner Gesellschafter gelähmt. Aber es hilft alles nicht: Die Kontrahenten müssen sich an einen Tisch setzen und sich endlich einigen.

Von Uwe Ritzer

Es ist ein unwürdiges Schauspiel, das der Handelskonzern Metro und der Milliardär Erich Kellerhals seit bald fünf Jahren in aller Öffentlichkeit aufführen. Hinter den Kulissen, in Gerichtssälen und über die Medien kämpfen sie fanatisch um die Macht bei Media-Saturn, Europas größtem Elektronikhändler. Sie provozieren sich gegenseitig, bewerfen sich mit Schmutz und sind sich für keine üble Finte zu schade. Hauptsache, es schadet dem anderen. Mit ihren zügellosen Machtspielen halten Metro und Kellerhals ein Unternehmen mit 65 000 Beschäftigten in Geiselhaft und nehmen sehenden Auges in Kauf, dass es leidet. Gerade erst wurde Metro-Manager Pieter Haas unter zweifelhaften Umständen zum Konzernchef ernannt, weiterer Streit ist damit programmiert.

Dabei war Media-Saturn einst ein leuchtendes Beispiel für kreativen Unternehmergeist. Eine Handvoll Kauf- und PR-Leute aus der bayerischen Provinz witterten vor allen anderen den kommenden Zeitgeist und spürten schneller als die Konkurrenten, wie sich das Kaufverhalten der Kunden veränderte. Sie dachten unkonventionell, warfen Althergebrachtes über den Haufen und erfanden ihre Branche neu. Dabei gingen sie alles andere als zimperlich vor und wurden nicht nur wegen ihrer frechen Werbeslogans angefeindet. Aber sie setzten sich durch.

Von diesen Start-up-Unternehmern ist nur noch Erich Kellerhals dabei, inzwischen 76 Jahre alt und bei Media-Saturn Minderheitsgesellschafter mit 21,6 Prozent der Anteile. Sie reichen allerdings wegen verschiedener Vertragsklauseln aus, um ein totales Durchgreifen der mit 78,4 Prozent zum Mehrheitsaktionär avancierten Metro zu verhindern. Das macht die Düsseldorfer schier wahnsinnig.

Nun verdienen beide Positionen für sich betrachtet Verständnis. Wem fast 80 Prozent eines Unternehmens gehören, der will dort auch das Sagen haben. Umgekehrt will Kellerhals nicht auf seine verbrieften Rechte verzichten, warum auch?

Dass der damalige Metro-Chef Eckhard Cordes 2011 versuchte, diese Rechte gerichtlich auszuhebeln, gehört nicht zu den Ruhmestaten seiner Karriere. Kellerhals musste dies als Kriegserklärung verstehen, als arroganten Angriff auf sein Lebenswerk. Entsprechend verhält er sich seitdem. Er hat sich verbarrikadiert, und selbst gute Vorschläge aus Düsseldorf kommen bei ihm nicht mehr durch.

Stattdessen regiert das Misstrauen auf beiden Seiten, das lähmt Media-Saturn. Die Taschenspielertricks der vergangenen Tage dürften auch kein probates Mittel sein, um die Lage zu befrieden. Pieter Haas ließ sich von seinen Media-Saturn-Geschäftsführerkollegen in kleiner Runde zum Chef befördern, weil dies in der Gesellschafterversammlung am Widerstand von Kellerhals gescheitert wäre. Zwei andere Geschäftsführer, die Kellerhals ebenfalls loshaben will, werden pro forma degradiert, damit nicht mehr die Gesellschafter, sondern die Geschäftsführung für ihre Verträge zuständig ist. Das alles geschieht zweifellos mit dem Segen von Metro, wo Haas in Personalunion im Vorstand sitzt. Rechtlich mag das in Ordnung sein. Doch es ist ziemlich billig.

Unternehmerisches Format sieht anders aus. Wie schon Vorgänger Cordes ist Metro-Chef Olaf Koch damit überfordert, einen vernünftigen Gesprächsfaden mit Kellerhals zu knüpfen. Der wiederum gefällt sich in seiner Rolle als letzter Veteran, der so tut, als wisse nur er, wie Handel funktioniert. Es ist ein eitles Gezänk, in dem sich beide Seiten verzettelt haben. Profiteure sind Anwälte, die für viel Geld vor Gerichten Pyrrhussiege erstreiten, die von PR-Leuten schöngeredet werden.

Aus einer Erfolgsgeschichte ist ein Trauerspiel geworden, bei dem es nur Verlierer gibt

So geht das nun schon fast ein halbes Jahrzehnt. Wertvolle Zeit, in der das strategische Arbeiten bei Media-Saturn komplizierter geworden ist. Manager beklagen lange Abstimmungsprozesse und versichern sich lieber doppelt und dreifach, um es sich nur ja nicht mit einem Gesellschafter zu verderben. So ist aus einer Erfolgsgeschichte ein Trauerspiel geworden, bei dem es nur Verlierer gibt.

Es klingt banal und wäre doch der einzige Ausweg: Olaf Koch und Erich Kellerhals müssen endlich ihrer unternehmerischen Verantwortung gerecht werden und die Schützengräben verlassen. Sie müssen Haltung zeigen, sich zusammensetzen und so lange auf Augenhöhe miteinander reden, verhandeln und streiten, bis sie sich einigen - oder eine Trennung beschließen. Gerichte können ihnen diese Verantwortung nicht abnehmen.

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