Kommentar:Immer besser

Die Billigflieger sind für die alten Fluggesellschaften zur Bedrohung geworden. Ihre Tickets sind günstiger, der Service nicht schlechter. Was nun?

Von Jens Flottau

Die irische Billigfluggesellschaft Ryanair hat in diesen Tagen einen erstaunlich großen Gewinnsprung verkündet. 1,2 Milliarden Euro hat die Airline 2015 netto verdient, fast 400 Millionen mehr als im Jahr zuvor. Anders als bei den meisten Fluggesellschaften, die sich in diesen Tagen besserer Zahlen rühmen, hat die Entwicklung aber nicht nur mit dem billigen Sprit zu tun, sondern in erster Linie mit dem vor drei Jahren gestarteten "Always Getting Better"-Programm: Ryanair setzt seither auf Servicequalität und fliegt große Flughäfen an, nicht nur Provinzpisten. Frankfurt statt Hahn heißt das Motto sozusagen, auch wenn sie den größten deutschen Airport (noch) nicht im Programm hat. Die Kunden honorieren es.

Der strategische Schwenk Ryanairs ist eine große Bedrohung für Lufthansa, Air Berlin und viele andere. Der Strukturwandel der Branche wird weit tiefer gehen, als sie befürchtet haben. Es sieht derzeit so aus, als würde es über kurz oder lang nur noch ein Geschäftsmodell geben: Die Billigfliegerei könnte die neue Norm werden. Aus Passagiersicht wird der Unterschied zwischen den Geschäftsmodellen ohnehin immer geringer. Das Bordprodukt wird bei den Billiganbietern immer besser - der Sitzabstand ist beispielsweise auf manchen Ryanair-Flugzeugen größer als in den hinteren Reihen der Economy Class bei Lufthansa.

Die Passagiere sehen im Service kaum noch Unterschiede, aber beim Preis

Die neuen Fluggesellschaften schaffen den Qualitätssprung und kommen trotzdem immer noch auf viel niedrigere Kosten als die alten Konzerne. Je weniger Unterschiede es gibt, für die sich höhere Ticketpreise zu zahlen lohnt, desto mehr stellt sich die Frage nach der Existenzberechtigung der teuren Anbieter, zumindest für den Verkehr innerhalb Europas.

Den Anfang haben Ryanair, Easyjet und die anderen auf dezentralen Strecken gemacht. Sie flogen eher von Bremen nach Sevilla als von Frankfurt nach Madrid. Doch damit konnten sie ausgerechnet die Klientel nur eingeschränkt erreichen, die die größten Gewinnmargen verspricht - Geschäftsreisende. Dafür müssen sie die Hauptflughäfen ansteuern, und dazu sind sie immer mehr bereit.

Auch auf der Seite der Flughäfen setzt langsam ein Umdenken ein. Bisher haben es die Lufthansas der Branche verstanden, den Flughäfen deutlich zu machen, dass Verträge mit Billiganbietern keine gute Idee sind, vor allem, wenn diese Flughäfen Frankfurt oder München heißen und Drehkreuze der Konzerne sind. Doch die Interessen gehen auseinander: Wenn das klassische Segment im Luftverkehr stagniert, müssen die Airports andere Wachstumsmöglichkeiten finden. Und die bieten derzeit neben den Golf-Anbietern nur die Billigflieger. Noch sorgt der Mangel an attraktiven zusätzlichen Start- und Landezeiten vor allem in München für einen gewissen Schutz. Doch ewig kann es sich auch Lufthansa nicht leisten, wirtschaftlich grenzwertige Strecken zu halten, nur um einen der sogenannten Slots zu blockieren. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis einer der Airports doch Platz findet und einknickt.

Und dann? Dann ist es nicht mehr weit bis zur nächsten Stufe des Strukturwandels. Ryanair-Chef Michael O'Leary drängt seit Längerem auf Kooperationen mit den klassischen Airlines - seine Fluglinie übernimmt den Europaverkehr und die Zubringer, Lufthansa oder andere die Langstrecken. Die Vorstellung klingt absurd, aber wenn die klassisch ausgerichteten Anbieter keine geeigneten Gegenmittel finden, dann wird sie wohl doch eines Tages Realität.

Lufthansas Gegenmittel heißt Eurowings. Das Konglomerat aus der alten Regionalfluggesellschaft, dem wirtschaftlich letztlich gescheiterten Billigableger Germanwings und einigen anderen Flugbetrieben soll zur Nummer drei in Europa aufsteigen. Doch Eurowings ist als Konstrukt viel zu komplex und hat zu viel der hohen Lufthansa-Kosten importiert, um auch nur annähernd an die wirtschaftliche Stärke von Ryanair - Gewinnmarge 19 Prozent - und Easyjet heranzukommen. Vielleicht kann sie das Wachstum der echten Billiganbieter ein wenig abbremsen, verhindern wird sie es nicht.

Noch viel unmittelbarer als Lufthansa wird Air Berlin unter den neuen Strategien der Konkurrenz leiden. Erst recht, wenn Ende 2017, 2018 oder wann auch immer der neue Berliner Hauptstadtflughafen eröffnet wird, der Platz für Expansion bietet. Ryanair und Easyjet haben längst die Rolle der Lufthansa-Rivalen übernommen. Die stark defizitäre Air Berlin, die ebenfalls ein gravierendes Problem mit zu hohen Kosten hat, mag ohne schlüssiges Konzept dank weiterer finanzieller Hilfen des Hauptaktionärs Etihad Airways noch länger überleben, aber sie wird weiter an Bedeutung verlieren.

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