Kommentar:Hoch mit den Zinsen!

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Doch, die Notenbanken haben richtig gehandelt, als sie in der Finanzkrise die Zinsen gesenkt haben. Jetzt aber suchen sie ständig nach dem richtigen Zeitpunkt, die Sätze wieder zu erhöhen. Das Beste wäre: einfach machen - und zwar so schnell wie möglich.

Von Claus Hulverscheidt

Zum Handwerkszeug des modernen Populisten gehören neben einem gehörigen Schuss Nationalismus und der Bereitstellung von Buhmännern seit einiger Zeit auch verbale Angriffe auf die einst kaum beachteten Notenbanken. In den USA etwa wirft Präsidentschaftsanwärter Donald Trump Fed-Chefin Janet Yellen vor, den Leitzins künstlich niedrig zu halten, um das Wirtschaftswachstum zu befeuern und seiner Konkurrentin Hillary Clinton damit den Weg ins Weiße Haus zu ebnen. In Europa wird EZB-Präsident Mario Draghi als Bruder Leichtfuß verunglimpft, der, so Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, gar den Aufstieg der AfD mit zu verantworten habe.

So durchsichtig Trumps Aussage ist, so unverschämt ist Schäubles: Nicht Draghi, der kommende Woche einmal mehr dem Bundestag Rede und Antwort stehen wird, hat die AfD groß gemacht, es waren vielmehr Schäuble und seine EU-Kollegen höchstselbst. Sie ließen die Zeit für Reformen teilweise ungenutzt verstreichen, die ihnen der Italiener mit seiner ultra-lockeren Geldpolitik erkauft hatte.

Die Idee der Notenbanken, die Kreditzinsen zur Belebung der Konjunktur gewissermaßen mit der Brechstange nach unten zu drücken, war angesichts des beispiellosen wirtschaftlichen Einbruchs infolge der Finanzkrise richtig. Das bedeutet nicht, dass sie nicht auch Beschwernisse mit sich gebracht hätte, etwa in Form drastisch sinkender Guthabenzinsen. Sparer aber sind in der Regel auch Arbeitnehmer, und wenn die Alternative Arbeitslosigkeit lautet, dann sollte ein schlecht verzinstes Sparbuch das geringere Übel sein.

Richtig ist aber auch: Die Niedrigzinsphase muss nun zu Ende gehen, zunächst einmal in den USA. Nicht, weil Trump das will, sondern weil die Strategie mittlerweile selbst zum Risikofaktor geworden ist. Die Fed hat das erkannt und im vergangenen Dezember den ersten zaghaften Zinsschritt unternommen. Seither jedoch hat sie sich ein ums andere Mal den Schneid abkaufen lassen - mal von Börsenturbulenzen, mal von niedrigeren Wachstumszahlen in China oder einem schwächeren US-Arbeitsmarktbericht. Auch an diesem Mittwoch wird sie die Entscheidung wohl wieder einmal vertagen und ihre Glaubwürdigkeit damit weiter strapazieren.

Natürlich ist es richtig, die Zinsen nicht auf Teufel komm raus zu erhöhen, schließlich ist niemandem damit gedient, wenn Notenbanker die Weltkonjunktur abwürgen. Das kann aber umgekehrt nicht bedeuten, dass man auf den vermeintlich idealen Zeitpunkt wartet. Für eine Zinserhöhung gibt es keinen idealen Zeitpunkt.

Die Wirtschaft in den USA wächst seit sieben Jahren. Der Arbeitsmarkt entwickelt sich in Richtung Vollbeschäftigung, auch wenn manche Kritik an der Zusammensetzung der amtlichen Statistik berechtigt ist. Die Inflationsrate liegt längst über dem Zielwert von zwei Prozent - nicht jener Preisindikator zwar, den die Fed für den wichtigsten hält, wohl aber eine Reihe anderer Teuerungsmesser. Die Gefahr, dass die Fed aufgrund ihrer Zögerlichkeit der Inflationsentwicklung bereits hinterherhinkt, ist offensichtlich. Sollte dem so sein, müssten künftige Zinserhöhungen umso drastischer ausfallen.

Wenn die nächste Krise kommt, sind EZB und Fed viel schlechter gewappnet als 2008

Vor allem aber: Weil weltweit die Notenbanken so viel billiges Geld zur Verfügung gestellt haben, sind die Vermögenspreise vielerorts in astronomische Höhen geklettert. Besonders die Entwicklung auf dem Immobilienmarkt hat mit Angebot und Nachfrage im wohnungsbaulichen Sinne nur noch wenig zu tun, sondern ist zumeist anlagegetrieben. Das freut zwar die Haus- und Wohnungsbesitzer, die zumindest auf dem Papier immer reicher werden, verknappt aber vor allem in den Städten künstlich das Angebot. Die Folge sind weiter wachsende soziale Probleme. Vor allem aber besteht die Gefahr, dass hier gerade die nächste gigantische Spekulationsblase entsteht, die demnächst mit viel Getöse platzen wird. Was das bedeutet, konnte man 2008 beobachten - mit dem Unterschied, dass die Notenbanken diesmal weitaus schlechter gewappnet wären. Auch um sich für die nächste Krise neuen Zinssenkungsspielraum zu verschaffen, müssen die Sätze jetzt langsam, aber kontinuierlich steigen.

Kluge Geldpolitik ist den Dingen voraus. Das macht es manchmal schwer, sie zu verkaufen, weil Geldpolitiker den Abgrund am Ende der Straße erahnen, wo andere, Populisten zumal, noch einmal kräftig aufs Gas treten. Diesem Druck aber müssen Notenbanker standhalten. Unter anderem deshalb sind sie unabhängig.

© SZ vom 21.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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