Kommentar:Hendricks' Schnellschuss

Die Bundesbauministerin schlägt vor, der Staat soll Familien, die eine Immobilie in einem Ballungsgebiet kaufen, einen Zuschuss geben. Von 8000 bis 20000 Euro ist die Rede, je nach Anzahl der Kinder - eine schlechte Idee.

Von Benedikt Müller

Bundesbauministerin Barbara Hendricks hat auf eine Schattenseite des Immobilienbooms hingewiesen: Viele Familien wären zwar in der Lage, Zinsen und Tilgung eines Baukredits zu bezahlen, sagt die SPD-Politikerin. Trotzdem erhielten sie keinen Kredit, zumindest nicht in den Ballungsgebieten. Denn üblicherweise verlangen die Banken etwa 20 Prozent des Kaufpreises als Eigenkapital. Doch so große Ersparnisse haben viele Familien nicht. Je stärker die Preise steigen, desto höher ist die Hürde.

So weit, so richtig.

Deshalb schlägt Hendricks vor, der Staat sollte Familien, die eine Immobilie in einem Ballungsgebiet kaufen, einen Zuschuss geben. Von 8000 bis 20 000 Euro ist die Rede, je nach Anzahl der Kinder. Familien müssten die Zulage auch nicht zurückzahlen. Die Bundesregierung wird in dieser Woche über den Vorschlag verhandeln. Geht es nach der Bauministerin, soll die Förderung schon mit dem Bundeshaushalt 2017 beginnen. Doch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) betont: Noch ist nichts beschlossen. Und das ist gut so, denn Hendricks' Idee wirkt wie ein Schnellschuss im Wahlkampf, nicht bis zum Ende gedacht. Die staatlichen Zuschüsse wären unvernünftig, aus vier Gründen:

Mit den staatlichen Zuschüssen würde die Nachfrage in Städten noch höher, die Preise auch

Erstens: Während die Immobilienpreise in den Städten steigen, stehen auf dem Land zwei Millionen Wohnungen leer, Tendenz steigend. Schrumpfenden Regionen fällt es immer schwerer, die Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Da wäre es dringend geboten, die Provinz attraktiver zu machen, etwa mithilfe dichterer und günstiger Verbindungen in die Städte. Stattdessen will Hendricks nun fördern, dass Familien "in besonders nachgefragten Regionen" Immobilien kaufen. Eine solche Subvention würde die Kluft zwischen Stadt und Land verschärfen. Die Nachfrage würde genau am falschen Ort gestärkt - auf Kosten der Steuerzahler.

Zweitens: In den Großstädten steigen die Preise, weil die Nachfrage aus In- und Ausland größer ist als das Angebot. Sollte der Staat nun einheimischen Familien einen Zuschuss zahlen, könnten noch mehr Menschen Immobilien kaufen wollen - und sie hätten mehr Geld zur Verfügung. Doch das werden Verkäufer berücksichtigen, wenn sie die Preise setzen. Hendricks' Förderung könnte somit den Anstieg der Immobilienpreise verstärken.

Drittens: Die staatlichen Zuschüsse würden Familien einen Anreiz geben, sich stärker zu verschulden. Wer beispielsweise 50 000 Euro Eigenkapital mitbringt, würde von seiner Bank für gewöhnlich etwa 200 000 Euro Kredit erhalten. Kämen nun noch 20 000 Euro Eigenkapital vom Staat hinzu, wären schon 280 000 Euro Kredit denkbar. Zurzeit mögen solche Schuldenberge noch harmlos wirken. Doch niemand weiß, wie hoch die Zinsen sein werden, wenn die Zinsbindung etwa nach zehn Jahren ausläuft. Die geplante Subvention könnte im Zweifelsfall Familien in die Schuldenfalle treiben.

Viertens: Wenn der Staat einzelnen Menschen Zuschüsse gibt, betreibt er damit Umverteilung, in diesem Fall von allen Steuerzahlern zu bestimmten Familien. Hendricks' Vorschlag hat daher eine sozialpolitische Dimension. Die geplante Subvention würde zwar die Mittelschicht fördern. Doch es ist unklar, wie viele Familien den möglichen Zuschuss in Anspruch nehmen dürften, obwohl sie sich auch ganz ohne staatliche Hilfe eine Immobilie leisten könnten. Sollte die Politik keine Einkommens- oder Vermögensgrenzen ziehen, würde sie wohlhabenderen Käufern ein unnötiges Geschenk machen - alles auf Kosten der Steuerzahler.

So gut die Absicht auch sein mag, Familien den Immobilienkauf zu erleichtern, so schwer ist es also, dieses Ziel zu erreichen. Hendricks' Vorschlag läuft Gefahr, letztlich nur der Immobilienwirtschaft und den Banken zu nützen: in Form steigender Preise und höherer Verschuldung. Die Subvention würde nur die Symptome einer zu hohen Nachfrage nach Wohnungen in den Ballungsgebieten bekämpfen.

Die Ursachen werden bekämpft, wenn Städte mehr Bauland ausweisen und es nicht zum höchsten Preis, sondern nach sozialen Kriterien vergeben. Zudem müssten Baukosten gesenkt und die Kluft zwischen Stadt und Land verkleinert werden. All das versucht Hendricks längst; doch es dauert, bis diese Politik in allen Ländern und Kommunen ankommt. Schnelles Geld für Familien klingt zwar verlockend. Doch diese geplante Subvention wäre ein viel zu teurer Schnellschuss.

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