Kommentar:Gutes Fernsehen kann süchtig machen

Kommentar: Illustration: Bernd Schifferdecker

Illustration: Bernd Schifferdecker

Netflix zeigt, wie es gehen kann. Die verschlafenen deutschen Sender beginnen, endlich von den Amerikanern zu lernen und auch gute Serien zu produzieren.

Von Caspar Busse

Die gute Nachricht zuerst: Das Fernsehen in Deutschland wird besser. Denn es ist mittlerweile fast ein Wettlauf entstanden um besonders gute und interessante Fernsehserien und -filme aus Deutschland. Netflix produziert mit viel Aufwand die Mystery-Serie "Dark" und kommt demnächst mit der Fernsehversion von "Die Welle". ARD und der Bezahlsender Sky haben eine Menge Geld in "Babylon Berlin" gesteckt, das in den Zwanzigerjahren spielt. Das ZDF beschreibt in "Bad Banks" den Irrsinn der Geldwelt, Amazon finanziert einen Thriller mit Matthias Schweighöfer. Das erfreut nicht nur Produzenten, Filmemacher und Schauspieler, die über eine schlechte Geschäftslage nicht klagen können. Das ist vor allem zum Vorteil der Zuschauer, die sich über neue und größtenteils gute Inhalten freuen können.

Wie so oft belebt Konkurrenz das Geschäft. Netflix und andere Streamingdienste drängen massiv in die Domäne der traditionellen Fernsehsender. Immer mehr Menschen, gerade die jüngeren, wenden sich vom sogenannten linearen Fernsehen ab, also vom festgelegten Programm auf den verschiedenen Kanälen. Sie wollen anschauen, was sie wollen, wie und wann sie wollen, ob vor dem Fernseher, mit dem Tablet in der Ecke oder per Smartphone. Netflix, erst vor gut zwanzig Jahren als Online-Videothek in Kalifornien gestartet, hat weltweit bereits 125 Millionen zahlende Kunden, das Wachstum ist gerade so groß wie nie zuvor. Die Aktie steigt unaufhörlich, das Unternehmen macht sogar Gewinn. Das Ganze rechnet sich also.

Acht Milliarden Dollar investiert Netflix-Gründer Reed Hastings in diesem Jahr in neue Inhalte. Und das soll nur der Anfang sein. Eine Milliarde Dollar davon werden nach Europa in neue Serien, Shows und Filme fließen. Es ist schon erstaunlich: Da kommt ein noch relativ junges Unternehmen aus dem Silicon Valley und zeigt der etablierten Konkurrenz in Europa, wie es geht. Die Erkenntnis ist ja relativ banal: Die Zuschauer mögen irgendwie lokale und regionale Inhalte, spannende Geschichten, die in ihrem Umfeld spielen und in denen sie sich irgendwie selbst erkennen (auch das Geheimnis des "Tatort"-Erfolgs). Dafür sind sie bereit, eine monatliche Gebühr zu zahlen, obwohl das Angebot im frei empfangbaren Fernsehen durchaus groß ist. Solche Investitionen lohnen sich, zumal, wenn sie auch international erfolgreich sind.

Die großen Sender haben zu viel gespart und nur noch Allerweltsware produziert

Aber was haben Sender wie RTL, Pro Sieben, Sat 1, teilweise auch ARD und ZDF in der Vergangenheit gemacht? Sie haben vor allem am Programm gespart, sie haben oft auf billig gemachte Produktionen gesetzt, sie haben Filme und Serien vor allem aus den USA gekauft und gesendet. Pro Sieben Sat 1 hat sich sogar von seinem Nachrichtensender getrennt. Der andauernde Versuch, möglichst hohe Einschaltquoten für die Werbewirtschaft zu erreichen und dabei die Kosten zu reduzieren, hat zu einer Beliebigkeit geführt, zu einer Mittelmäßigkeit, die bekanntlich besonders gefährlich ist. Die Sender haben auf einen vermeintlichen Massengeschmack gesetzt und dabei öde Allerweltsware produziert oder auf die immer gleichen Blockbuster mit angeblicher Erfolgsgarantie gesetzt. Jetzt kommen neue Anbieter, und die frei empfangbaren Sender müssen aufpassen, dass sie nicht zu Spartensendern für die ältere Generation werden.

Das Geschäftsmodell von Netflix und anderen geht jedenfalls auf. Denn sie haben nicht nur möglichst hohe Einschaltquoten im Visier, sondern den Erfolg bei der Zielgruppe. Spannende Serien, aufgeteilt in unzählige 45-Minuten-Häppchen, sollen die Zuschauern zum Binge-Watching, zum Komaglotzen, verleiten. Das monatliche Abonnement soll jedenfalls immer weiterlaufen.

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