Teilhabe:Gebt den Flüchtlingen ein Bankkonto!

Flüchtlinge in der LEA in Karlsruhe

Archivbild: In der Landeserstaufnahmestelle (LEA) in Karlsruhe warten im August 2014 Flüchtlinge auf ihre Registrierung.

(Foto: dpa)

Banken verweigern Flüchtlingen oft ein Konto - und damit auch Arbeitsplätze. Das muss sich ändern. Nicht nur im Interesse der Flüchtlinge.

Kommentar von Pia Ratzesberger

Drei Monate sind es, die entscheiden. Drei Monate sind es, die trennen zwischen Arbeiten und Nicht- Arbeiten-Dürfen. Erst nach dieser Frist können Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge in Deutschland einen Job annehmen. Also Geflohene, die sich entweder noch im Asylverfahren befinden oder Geflohene, die bereits abgelehnt wurden, aber momentan nicht ausreisen können. Diesen beiden Gruppen war das Arbeiten bisher sogar neun Monate lang verboten; bis das Gesetz im vergangenen Jahr endlich geändert wurde, verging viel Zeit. Doch an der Vorrangregelung zum Beispiel hat sich nichts geändert: Wenn ein Deutscher oder ein EU-Bürger für den gleichen Job zur Verfügung steht, haben sie zunächst den Vortritt.

Genau solche Regelungen sind es, die es den Flüchtlingen trotz des verkürzten Arbeitsverbots noch immer unglaublich schwer machen, eine Stelle zu finden. Und umso absurder ist es, dass sie - selbst wenn sie anscheinend alle Hürden genommen und endlich einen Arbeitsplatz gefunden haben - nicht einmal ein Konto eröffnen können.

Die Banken haben an diesen Kunden kein Interesse

Das Bundesfinanzministerium hatte vor Kurzem in einem Schreiben Kreditinstitute und Sparkassen gerügt, die in mehreren Fällen Asylsuchenden mit Aufenthaltsgestattung ein Konto verweigert hatten. Auch mit Duldungspapieren haben viele Flüchtlinge seit Jahren Schwierigkeiten, Kontonummer und Bankleitzahl zu erhalten. Egal bei welcher Bank, egal in welchem Bundesland, das Problem ist fast überall bekannt. Zwar argumentieren die Banken in letzterem Fall oft zu Recht mit dem Geldwäschegesetz, doch das Problem liegt woanders: Die Kreditinstitute haben an diesen Kunden gar kein Interesse.

Sie bringen ihnen kein Geld und im Zweifel nur Ärger und Aufwand. Zum Beispiel, wenn der geduldete Flüchtling abgeschoben wird, ohne dass jemand das Konto kündigt. Oder wenn alle Kundengespräche mit einem Dolmetscher stattfinden müssen, weil Bankberater und Flüchtling sich allein nicht verständigen können. Viel bequemer ist es da, den fremden Kunden direkt wieder hinauszubitten. Eines aber ignorieren die Banken dabei: Dass sie den Flüchtlingen die Chance auf Teilhabe und Autonomie verwehren, wenn sie ihnen ein Konto verweigern. Denn eine Bankverbindung ist meist die Voraussetzung für einen Arbeitsvertrag. Der Arbeitsvertrag wiederum erleichtert es, eine Wohnung zu finden oder Bekanntschaften zu schließen. Und dass Flüchtlinge möglichst schnell und unkompliziert Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten sollten, das fordern inzwischen nicht mehr nur Asylrechtler. Auch die Vertreter großer Arbeitgeberverbände dringen zu Recht darauf.

Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist in vielen Bereichen in Deutschland sehr viel höher als das Angebot. Der Bundesagentur für Arbeit zufolge fehlt es zum Beispiel vor allem in der Pflege und Gesundheit, bei Klempnern und Heizungstechnikern oder auch im Metallbau an Leuten. Bleiben diese Stellen unbesetzt, leidet nicht nur die Produktivität der zugehörigen Unternehmen, sondern die der ganzen Wirtschaft.

Zwar wird es nach Aussage des Finanzministeriums nicht mehr lange dauern, bis die vom Europäischen Parlament beschlossene Zahlungskontenrichtlinie in nationales Recht umgesetzt sein wird. Eigentlich hat die Bundesrepublik dafür bis September 2016 Zeit, doch schon Anfang des kommenden Jahres soll das neue Gesetz in Kraft treten. Dann wird jeder ein Recht auf ein Konto haben, auch Asylsuchende und Geduldete. Banken werden diese Menschen als Kunden akzeptieren müssen, sonst wird die Finanzaufsicht sie dazu zwingen oder Bußgeld verhängen. Doch für die Betroffenen sind selbst die wenigen Monate bis dahin eine lange Zeit. Ohne Konto ist ihnen der Zugang zur deutschen Gesellschaft versperrt.

Es ist jetzt Aufgabe der Ministerien, die Richtlinie wie angekündigt schon bis Anfang 2016 umzusetzen. Und es ist die Aufgabe der Banken, bis dahin die Anträge der Asylsuchenden und Geduldeten besonders sorgfältig zu bearbeiten. Damit niemand abgelehnt wird, obwohl er alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt.

Wenn Flüchtlinge kein Konto haben, kostet sie das nämlich nicht nur die Teilhabe an der Gesellschaft, es kostet den Staat auch Geld. Die Sozialleistungen zum Beispiel müssen dann bar an die Geflohenen ausgezahlt werden. Das erfordert im Zweifel mehr Verwaltung und mehr Personal. In manchen Kommunen bewacht an den Auszahlungstagen sogar ein extra Sicherheitsdienst das angelieferte Bargeld. Das sind Kosten, die sich der Staat ersparen könnte, wenn mehr Flüchtlinge ein Konto bekämen.

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