Kommentar:Gefällt nicht

Ein Musical würdigt die Nutzungsbedingungen von Facebook. Nicht ohne Grund: Das Netzwerk hat einen enormen Erfolg und verdient kräftig mit Werbung. Weil das so ist, sollten die Nutzer endlich ihr Verhalten überdenken und sich besser informieren.

Von Katharina Kutsche

Am Donnerstag wird in Bremen ein Musical uraufgeführt, in dem die Autoren einen der legendärsten Texte unserer Zeit würdigen: die Nutzungsbedingungen von Facebook. Es sei doch schade, dass sich bisher nur ein kleiner Kreis von Datenschützern, Anwälten und Liebhabern juristischer Fließtexte für die Inhalte interessiere, wo doch so viel darin stehe, das alle angeht, die sich im Internet bewegen. Recht haben sie!

Gerade die jüngsten Zahlen des sozialen Netzwerks zeigen, dass dessen Nutzer endlich ihr Verhalten überdenken und sich besser informieren müssen. Mehr als neun Milliarden Dollar setzte Facebook zwischen April und Juni um, das sind fünf Milliarden mehr als noch vor zwei Jahren. Und 98 Prozent dieses Umsatzes generiert das Unternehmen von Mark Zuckerberg allein durch Werbeeinnahmen. Das Prinzip ist so einfach wie bekannt: Jeder, der ein Profil bei Facebook hat und mit Freunden, Unternehmen oder Nachrichtenseiten interagiert, hinterlässt Daten. Wer bei bestimmten Produkten "Gefällt mir" klickt oder die Seiten von Restaurants, Prominenten und Veranstaltern abonniert, verrät etwas über sich. Das gibt Facebook - und seinen Werbekunden - die Möglichkeit, Werbung gezielt auszuspielen.

Noch nie war es so leicht für die Nutzer, den Datenfluss zu begrenzen. Aber sie tun es nicht

Der immer weiter steigende Umsatz des kalifornischen Unternehmens markiert, dass es immer mehr über seine Nutzer weiß. Muss man Facebook deswegen verteufeln, das eigene Profil sofort löschen? Nicht unbedingt. Aber eine aufgeklärte Nutzung ist immer besser, als sich einfach so durch dieses Internet und seine Plattformen zu bewegen.

Im Grunde ist es ganz einfach: Wer sich bei einem sozialen Netzwerk anmeldet und aktiv ist, geht einen Vertrag ein. Das Unternehmen stellt kostenlos eine Plattform mit unterschiedlichen Funktionen zur Verfügung. Der Nutzer bezahlt diese Leistung mit den Daten, die er beim Surfen produziert. Nur: Wer einen Vertrag abschließt, sei es für den Kauf eines Autos, eines Mobiltelefons oder für eine neue Versicherung, der liest auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Er wägt, jedenfalls sollte es so sein, das Angebot gegen den eigenen Einsatz und gewonnenen Nutzen ab und entscheidet sich auf dieser Basis für oder gegen einen Anbieter.

Der steigende Erfolg von Facebook spricht dafür, dass seine Nutzer diesen Prüfschritt nicht machen. Stattdessen spielen sie das Netzwerk herunter, es sei doch bei jungen Menschen ohnehin out. Ist das so? Tatsächlich nutzen immer noch 70 Prozent der 18- und 19-Jährigen Facebook, auch wenn es bei den noch jüngeren deutlich weniger beliebt ist. Aber das muss nichts heißen: Erstens kann das Interesse noch wachsen, je nachdem, was gerade Trend im eigenen Umfeld ist. Und zweitens nutzen mehr als 90 Prozent aller Jugendlichen den Messenger Whatsapp, mehr als die Hälfte teilt Fotos über Instagram - beide Dienste gehören ebenfalls zum Zuckerberg-Konzern, auch Instagram spielt zunehmend Werbung aus.

Und dann gibt es noch die vielen Erwachsenen, die weiterhin fleißig mitteilen, was sie bewegt, wen sie gut finden und mit wem sie gerade wo furchtbar viel Spaß haben. Und es gibt die Eltern, die zwar Aufnahmen ihrer Kinder für die Website des Kindergartens strikt ablehnen, es aber für angezeigt halten, auf Facebook die erste erfolgreiche Sitzung ihres Nachwuchses auf dem Töpfchen zu dokumentieren. Es ist, als hätte es die Berichterstattung über die schlimme und mäßig erfolgreiche Arbeit hinter den Kulissen der Plattform im Kampf gegen Perverse und Kriminelle nie gegeben.

Gerade jetzt, in der Sommer- und Urlaubszeit haben Polizeidienststellen wieder die Bürger gebeten, Einbrechern nicht allzu offensichtlich auf Facebook zu zeigen, in welchem Haus die Luft wann besonders rein ist. Dabei ist das kalifornische Netzwerk mit seinen Erfolgen und der Kritik daran inzwischen einfach zu lange auf dem Markt, als dass sich seine Kunden diese Naivität im Umgang weiter leisten könnten.

Vor allem hat es das Unternehmen seinen Nutzern noch sie so leicht gemacht, ihren Datenfluss zu begrenzen. Wer sich regelmäßig auf der Seite bewegt, dem wird geradezu empfohlen, sich mit seinen Datenschutzeinstellungen auseinanderzusetzen: Klick doch hier, um sie zu ändern! Und im Gegensatz zu Nutzungsbedingungen anderer Firmen sind die von Facebook nicht mal besonders kompliziert formuliert. Es kostet nur Zeit, die einzelnen Punkte durchzugehen und die eigenen Einstellungen anzupassen. Zeit, die sich aber endlich alle nehmen müssen, vor oder nach dem Besuch im Musicaltheater.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: