Versicherungen:Die sozialen Netzwerke geben den Kunden Macht

Vergleichsportal Check24

Früher musste man dem Vertreter vertrauen, heute ist durch das Internet vieles transparenter.

(Foto: dpa)

Auch wenn die Versicherer Unmengen an Daten sammeln und sogar auf Facebook spionieren: Die Kunden profitieren von der Digitalisierung.

Kommentar von Herbert Fromme

Die Versicherer reden nicht gerne darüber. Schließlich sieht es so aus, als ob Allianz, Axa und Co. ihre Kunden bespitzeln. Aber es bleibt wahr: Fast alle großen Anbieter nutzen soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter oder Linkedin zur Betrugsbekämpfung. Der gestohlene teure Ring, der auf dem Facebook-Foto von der Party am Finger erkennbar ist, das Urlaubsfoto des angeblich schwer kranken Kunden - die Betrugsabteilungen der Versicherer haben Software und Dienstleister, um tatsächliche oder vermeintliche Betrugsfälle aufzuspüren.

Das digitale Arsenal der Branche geht weit über die sozialen Netze hinaus. Sie nutzen branchenweite Datenbanken mit Betrugsfällen. Viele Konzerne lassen vor Vertragsabschluss ihre Kunden automatisch auf ihre Bonität checken - schlechte Zahler betrügen auch eher, so die Annahme. Das "Scoring" von Kunden, die Bewertung nach Wohnort, Zahlungsmoral und Einkommen, ist zur Routine geworden.

Die Internet-Revolution verändert fundamental die Beziehungen zwischen Versicherer und Versichertem. Das ist eigentlich positiv für die Kunden. Die Versicherung wird transparenter und langfristig sehr viel billiger. Die Kehrseite: Der Versicherer weiß auch sehr viel mehr über seine Kunden. Dabei ist der Betrug, der wegen naiven Facebook-Verhaltens auffliegt, nicht das Problem. Kaum jemand wird ein Verhalten gutheißen, das immer zu Lasten aller Versicherten geht.

Wer überall Privates postet, darf sich über Werbebriefe nicht wundern

Kritischer sind da schon die Bemühungen großer Anbieter, in sozialen Netzen automatisch mitzulesen, um passgenaue Angebote zu machen. Selbstlernende, intelligente Systeme wissen über die Auswertung von Twitter-Nachrichten, Google-Abfragen und Onlinekäufen sehr viel. Ob eine Kundin vom baldigen Nachwuchs getwittert hat, eine Familie ein Haus kaufen, Geld anlegen will oder leihen muss - die Systeme machen entsprechend passgenaue Angebote, bis hin zu personalisierter Werbung beim Browsen im Internet und auf der Bildschirm-Reklamewand beim Stadtbummel. Schließlich weiß das System, wo sich die Zielperson gerade aufhält und spielt die Werbung auf die Sekunde genau ein. Das alles ist keine Zukunftsmusik mehr. Wer einmal online nach einer Heckenschere gesucht hat und dann drei Wochen lang bei jedem Internet-Zugang mit Werbung für Heckenscheren bombardiert wird, hat eine Ahnung, wie das funktioniert.

Dabei bleibt die so viel beschworene Transparenz oft auf der Strecke, wenn es um den Datenschutz geht. Facebook, Google und andere Internet-Konzerne müssen ihren Nutzern viel deutlicher sagen, welche Daten bei ihnen erfasst werden und wer sie nutzt. Für die Kunden gilt: Sie müssen bei der Nutzung sozialer Netze erwachsen werden und Privates auch nur privat verbreiten. Das ist auch ganz ohne Internet wahr. Wer überall erzählt, dass die Familie bald größer wird, darf sich über Werbebriefe der Sparkasse und von Kinderwagenhändlern nicht wundern.

Bei allen Sorgen um den Datenschutz ist die Bilanz von Internet und sozialen Netzen für Versicherungskunden positiv. Vergleichsportale und andere Online-Makler ermöglichen einen Marktüberblick, den ein einzelner Mensch, der einem Versicherungsvertreter oder Makler vertrauen muss, nie bekommen kann. Bewertungen und Kommentare auf Facebook oder in Blogs geben einen neuen Einblick in das Verhalten der Gesellschaften und werden von ihnen sehr ernst genommen. Mit den sozialen Netze haben Kunden, die sich schlecht behandelt fühlen, echte Macht bekommen.

Bei den meisten Vertretern bringt Facebook nur wenige Abschlüsse

Weitgehend außen vor bleiben dabei die traditionellen Versicherungsvermittler. Früher war klar, dass ein guter Vertreter in seinem Ort im Fußballverein, Kirchenchor und Kegelklub sein musste, um die Basis für seinen Verkaufserfolg zu legen. Viele Versicherer versuchen jetzt, etwas Ähnliches bei Facebook oder Xing zu organisieren. Der Erfolg ist mäßig. Nur wenige Spezialisten profitieren wirklich. Bekannt ist ein Kölner Allianz-Vertreter, der sich auf die Hundeversicherung spezialisiert hat. Aber das ist die Ausnahme. Bei den meisten Vertretern bringt Facebook nur wenige Abschlüsse.

Das wundert nicht. Früher haben die Vermittler beim Gespräch am Wohnzimmertisch oder in ihrem Büro davon profitiert, dass der Kunde ihnen gnadenlos ausgeliefert war, so groß war das Informations-Ungleichgewicht. Das ist im Internet und in den sozialen Netzen ganz anders. Kunden können leicht vergleichen, andere Anbieter ausprobieren, sich deren Bewertungen ansehen. Die Loyalität zum Facebook-"Freund" von der Axa oder Ergo zählt da wenig. Facebook ist nun mal kein Kirchenchor.

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