Siemens und Alstom:Der Gewinner der Mega-Zug-Fusion heißt Europa

Arbeiten im ICE-Wartungswerk

Der ICE kommt bald - wenn alles glatt geht - aus dem gleichen Unternehmen wie der französische TGV.

(Foto: dpa)

Ein großer europäischer Zugkonzern steht für ein starkes Europa in der Welt. Doch es ist Vorsicht geboten: Die Schaffung eines solchen Champions kann eine komplizierte Sache sein.

Kommentar von Caspar Busse

Ob nun Siemens oder Alstom der klare Gewinner dieses aufsehenerregenden Zusammenschlusses ist, darüber wurde am Mittwoch viel gestritten. Die Franzosen sehen jedenfalls die Deutschen vorn. Siemens-Chef Joe Kaeser und seine Kollegen gaben sich dagegen verdächtig zurückhaltend, taten einiges, um nicht in Jubel auszubrechen. Das dürfte nicht viel mehr als vornehme (und politisch motivierte) Zurückhaltung sein, um nach den harten Verhandlungen niemanden zu kränken.

Klar ist: Siemens ist der eigentliche Profiteur dieser Milliardenfusion, auch wenn an der Spitze des Vorstands künftig ein Franzose stehen und der Hauptsitz in Paris sein wird. Denn die Münchner haben künftig eindeutig das Sagen beim weltweit zweitgrößten Bahnhersteller, sie werden den Kurs weitgehend bestimmen können, sie werden die Zahlen in ihrer Bilanz konsolidieren.

Das Zusammengehen von Alstom mit der Bahnsparte von Siemens ist eben keine Fusion unter Gleichen, auch wenn beide Seiten eine Menge getan haben, um es so aussehen zu lassen. Eigentlich hätte Siemens, nach Größe und Rentabilität gerechnet, etwa 60 Prozent des neuen Unternehmens kontrollieren müssen. Doch mit einigen Tricks ist man auf ein - gesichtswahrendes - Verhältnis von 50,5 zu 49,5 Prozent gekommen.

Und es gibt einen zweiten großen Gewinner: Europa. Denn die Strategie, mit der Bildung europäischer Champions, also von in ihren Geschäftsfeldern beherrschenden Unternehmen, der internationalen Konkurrenz die Stirn zu bieten, ist absolut richtig. In der Bahntechnik etwa ist in China ebenfalls durch die Fusion und mit erheblichem staatlichen Zutun ein Marktführer entstanden, der bislang zwar vornehmlich auf dem Heimatmarkt aktiv ist, der aber mittelfristig durchaus zu einer Gefahr werden kann. Da ist es gut, wenn Europa seine Kräfte zusammenführt und sich nicht in gegenseitigen Scharmützeln schwächt. Zu begrüßen ist auch, dass die Unternehmen den Zusammenschluss vornehmlich aus eigenem Antrieb und aus betriebswirtschaftlicher Notwendigkeit betrieben haben. Insbesondere der französische Staat begleitete das Projekt sicher wohlwollend im Hintergrund, war aber nicht die entscheidende Kraft.

Die Ankündigung von Alstom und Siemens kam am Abend des Tages, als der französischen Präsidenten in Paris seinen neuen Europa-Plan vorstellte. Emmanuel Macron will ein starkes Europa in der Welt, und aus wirtschaftlicher Sicht sind sicher starke Konzerne eine der besten Garantien dafür. Siemens und Alstom sind dabei ja nicht die einzigen. Auch Thyssenkrupp und der indische Tata-Konzern haben gerade angekündigt, ihre Stahlproduktion in Europa zusammenzuführen und damit zu einer starken Nummer zwei zu werden. Auch in dieser Branchen setzen gerade die staatlich gestützten Stahlkonzerne aus China den europäischen Konkurrenten zu. Oder die Autoindustrie: Peugeot-Citroën kauft den deutschen Traditionshersteller Opel, gemeinsam wollen die beiden den Umbruch auf den Pkw-Märkten meistern. Wie ein paneuropäischer Zusammenschluss gut funktioniert, demonstrieren seit Jahren ausgerechnet zwei Banken: die italienische Unicredit und die deutsche Hypo-Vereinsbank.

Die Schaffung eines europäischen Champions kann kompliziert sein

Wie kompliziert die Schaffung eines europäischen Champions aber auch sein kann, zeigt das Beispiel des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns Airbus, der 2000 als EADS gegründet wurde. Lange standen sich hier Deutsche und Franzosen unversöhnlich gegenüber, es gab viele Jahre lang zwei Vorstandschefs und zwei Hauptverwaltungen, im Hintergrund mischte der französische Staat als Aktionär mit. Man arbeitete eher gegeneinander als miteinander. Doch seit Vorstandschef Tom Enders durchgegriffen und das Unternehmen in Toulouse konzentriert hat, läuft es besser. Airbus ist schon lange mit dem amerikanischen Konkurrenten Boeing auf Augenhöhe und weit vor allen anderen Flugzeugherstellern der Welt.

Aus den Fehlern bei Airbus müssen die Verantwortlichen bei Alstom und Siemens lernen. Klare Zuständigkeiten sind entscheidend. Dabei wäre auch hilfreich, wenn die neuen Partnern nicht von einer "Fusion unter Gleichen" ausgehen. Diese hat sich noch fast immer als Illusion erwiesen. Stattdessen muss jemand am Ende das Sagen haben, und das ist in diesem Fall Siemens.

Sollte das Zusammengehen der Bahnsparte von Siemens mit Alstom wirklich ein Erfolg werden, dann könnte es auch als Beispiel für paneuropäische Fusionen in anderen Bereichen gelten.

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