Kommentar:Eingeschränkte Macht

Vodafone gewinnt durch die Übernahme von Unitymedia auf den ersten Blick enorme Macht. Es lohnt aber ein zweiter Blick: Viele Argumente sprechen dagegen, dass hier ein Monopolist entsteht, der den Wettbewerb ums schnelle Internet abwürgt.

Von Benedikt Müller

Den Wettbewerbshütern der EU steht eine knifflige Aufgabe bevor. Sie müssen über einen Zusammenschluss entscheiden, der 90 Prozent des Kabelnetzes in Deutschland in die Hand eines Konzerns legen würde: Vodafone will den Telekomrivalen Unitymedia übernehmen, der Millionen Kunden in Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen mit Fernsehen und Internet versorgt. Der fusionierte Konzern hätte auf den ersten Blick eine enorme Marktmacht, etwa gegenüber Fernsehsendern: Wenn diese ihr Programm per Kabel verbreiten wollen, kämen sie nicht umhin, mit Vodafone zu verhandeln. Denn mit seiner Tochterfirma Kabel Deutschland betreibt der Konzern bereits jetzt ein Kabelnetz in allen anderen Bundesländern.

Und doch spricht vieles gegen die verbreitete Sorge, dass hier ein Monopolist entstände, der den Wettbewerb ums schnelle Internet abwürgen und die Vielfalt der Fernsehsender einschränken könnte. Vielmehr dürften die Kunden auch nach der geplanten Übernahme vom Wettbewerb der verschiedenen Infrastrukturen profitieren. Denn beide Märkte, um die es geht, stehen vor tief greifenden Veränderungen: Neue Technik ändert die Art und Weise, wie Menschen fernsehen oder ins Internet gehen. Dies schränkt die Marktmacht eines fusionierten Kabelanbieters entscheidend ein. Beispiel Fernsehen: Zwar nutzen heute gut 40 Prozent der Zuschauer die Kabeltechnik. Doch stehen mit Satelliten- und Antennenfernsehen schon jetzt zwei Alternativen zur Verfügung, die kaum Kosten verursachen. Und gerade junge Menschen weichen zusehends auf das Internet aus: Sie stellen sich ihr Programm in Mediatheken zusammen oder schauen Filme auf Plattformen wie Netflix. Mithin verliert das klassische Fernsehen, dessen mächtigster Versender künftig Vodafone wäre, absehbar an Bedeutung.

Es ist daher vor allem das Internetangebot, das Unitymedia zu einem milliardenschweren Objekt der Begierde gemacht hat. Schon heute nutzen etwa sieben Millionen Haushalte bundesweit ihren Kabelanbieter zum Telefonieren und Surfen, Tendenz steigend. Denn die aufgerüstete TV-Technik, die in etwa zwei Dritteln der Wohnungen bundesweit zur Verfügung steht, ermöglicht schnelleres Internet als die meisten Anschlüsse der Telekom, die zumindest auf den letzten Metern in die Häuser auf noch älteren Kupferkabeln basieren.

Doch wird der technische Fortschritt auch diesen Wettbewerb ums schnelle Internet verändern: Schon heute verlegen regionale Anbieter wie M-net aus München oder Netcologne aus Köln Glasfaserkabel bis in die Häuser. Diese Leitungen ermöglichen viel schnelleres Internet als die alten Telefon- oder Kupferkabel. Vodafone will darauf reagieren und das TV-Kabelnetz nach der geplanten Übernahme ebenfalls für Gigabitgeschwindigkeiten aufrüsten. Spätestens dann dürfte auch die Telekom mehr Glasfaser bis in die Häuser verlegen; erste Partnerschaften hat der Marktführer hierfür schon geschlossen.

Zumindest in den Ballungsräumen werden Kunden nach einer Kabelfusion also erst recht von einem Dreikampf der Infrastrukturen profitieren. Hinzu kommt, dass Internetanbieter ohne eigenes Festnetz, beispielsweise 1&1 oder O₂, nach wie vor Anschlüsse der Telekom anmieten und weiterverkaufen. Womöglich müssen künftig auch die Kabelanbieter ihr Netz für Konkurrenten öffnen. Dies wäre eine denkbare Auflage der Kartellbehörden, die den Wettbewerb zusätzlich beleben würde.

Der geplante Zusammenschluss schränkt den Wettbewerb jedenfalls nicht ein. Denn Unitymedia hat nur in jenen drei Bundesländern Kunden, in denen Vodafone bislang kein eigenes Netz betreibt und umgekehrt. Dieses Argument gilt gerade für Fernsehsender: Bislang waren sie im Westen und Südwesten in Sachen Kabelsignale einzig auf Unitymedia angewiesen; künftig werden sie nur mit Vodafone verhandeln können, wie in den meisten anderen Regionen auch. Die beiden Anbieter haben sich bislang keine Konkurrenz gemacht - also können sie auch getrost fusionieren.

Sorgen sollten dem Staat vielmehr jene vorwiegend ländlichen Regionen bereiten, in denen die Kabelanbieter keine Anschlüsse betreiben - und in denen die Telekom schlimmstenfalls auch nicht ihre Kupferkabel aufrüstet. Denn wo kein schnelles Internet verfügbar ist, werden sich weder junge Familien noch zukunftsweisende Unternehmen ansiedeln. Diese Regionen brauchen eine wirksame Infrastrukturpolitik - und idealerweise ein zukunftssicheres Glasfasernetz.

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