Kommentar:Einfach loslegen

Eine Umfrage zeigt, dass die Deutschen viel zu wenig über Finanzen wissen. Das muss sich dringend ändern. Weil Schulen und Banken damit überfordert sind, lohnt es sich im privaten Umfeld einfach mal darüber zu sprechen.

Von Simone Boehringer

Manche Wissenslücken sind nicht so schlimm. Doch in diesem Bereich gefährden sie unseren Wohlstand. Es geht um das Finanzwissen in unserer Gesellschaft. Eine Umfrage untermauert wieder mal: Jeder vierte junge Erwachsene hat keine Ahnung von Geldangelegenheiten, attestieren die Meinungsforscher von Forsa. Zwei Drittel fühlen sich wenigstens ausreichend gewappnet, ein Girokonto zu eröffnen oder einen Kredit aufzunehmen. Geht es um komplexere Themen wie die Altersvorsorge, steigt die Anzahl der Unwissenden rapide an.

Wie kann das sein? Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist bekannt, dass das staatliche Rentensystem in Richtung Grundversorgung schrumpft. Seit vor einem Jahrzehnt die Finanzkrise ausbrach, geht es darum, Vermögen zu retten oder wieder aufzubauen - unter erschwerten Bedingungen freilich, weil die Zinsen mit Rücksicht auf die Schuldenlast vieler Staaten nahe Null gehalten werden.

Diese Rahmenbedingungen sind seit Längerem bekannt. Das Problem: Die Umsetzung einer besseren Finanzbildung wird oft Institutionen überlassen, die mit sich selbst beschäftigt oder damit überfordert sind. Da ist zum Beispiel die Finanzbranche. Sie soll die Verbraucher besser beraten statt provisionsgetrieben Produkte zu verkaufen. Dafür gab es eine umfangreiche Regulierung, die Beratungsprotokolle, Produktblätter, Transparenzvorgaben und mehr hervorbrachte, in guter Absicht, die Kunden zu informieren und sie vor schlechten Geldgeschäften zu schützen. Herausgekommen sind dabei jedoch auch aufwendige Absicherungs- und Protokollierungsgespräche, die Stunden dauern. Wertvolle Zeit, in der man stattdessen die Unterschiede von Risiko- und Anlageklassen hätte erklären können.

In den Genuss einer echten Einzelberatung zu Aktien, Anleihen und Co. kommen oft nur noch Vermögende, hoffen die Institute doch, hier lukrative Vermögensverwaltungsmandate zu erhalten. Dabei können Banken froh sein, wenn Kunden sich überhaupt noch in die Filiale verirren. Vor allem Jüngere erledigen die meisten Geldgeschäfte online, teils auch via Mobiltelefon über eine der zahlreichen Apps der Geldhäuser, Direktbroker und Fintech-Anbieter. Beratung ist hier meist Nebensache oder gar nicht im Programm, Fragen werden eher in Foren diskutiert. Man geht hier gern von mündigen Kunden aus - das ist auch effizienter für die Anbieter, dann rechnet sich ihr Geschäftsmodell.

Das Wichtigste bei der Geldanlage ist es einfach mal anzufangen

Zeitgleich erleben wir eine konsolidierende Bankenbranche. Institute ziehen sich aus der Fläche zurück: weniger Filialen, weniger Berater und Know-how vor Ort. Hinzu kommt: Die durchregulierte Finanzberatung für Normalsparer ist für aufstrebende Bankkaufleute oft uninteressant, wenn sie noch was werden wollen.

Was bleibt für eine bessere Finanzbildung sind wie so oft - die Schulen. Je nach Bundesland und Lehrplan sind viele schon länger bemüht, die Lücke zu schließen. Doch es ist wie so oft: Das Bildungswesen allein kann nicht gänzlich regeln, was andere Teile der Gesellschaft nicht bewältigen. Schulen sollen erziehen, unterbringen, verköstigen, ständig neue Schulfächer erfinden. Als ganz wichtig gelten Informatik, Wirtschaft - also Programmieren, klar, und eben die Finanzbildung.

Tatsache ist, dass allgemein bildende Schulen gerade bei den doch spezielleren Finanzthemen alleine überfordert sind - zumal, wenn sie vor Schülern sitzen, die diesbezüglich oft vom Elternhaus wenig Grundwissen mitbekommen. Über Geld spricht man nicht gerne. Das aber könnte man am ehesten ändern.

Es geht nicht darum, gleich Unsummen auf eigene Faust anzulegen. Finanzbildung hat auch viel mit ausprobieren zu tun. Eine Aktie der Lieblingsmarke zum Geburtstag der Enkelin? Ein Tischgespräch übers Sparen und Verschulden in der Fußball-Pause? Einige Börsen vermitteln Privatanlegern in Kurzseminaren Grundlagen für den Kapitalmarkt. Manche Smartphone-Apps bringen spielerisch Börsenwissen nah. Wer im Kleinen ausprobiert, verzockt sich später zumindest nicht unbedarft im Großen. Und kann die relevanten Fragen stellen, bei Lehrern, im Netz oder bei der Bank.

Das Wichtigste beim Geldthema ist es, anzufangen. Denn die Renten werden weiter sinken, die Zinsen wieder steigen. Dann lohnt es nicht nur, Finanzen zu verstehen. Es gehört zur Allgemeinbildung.

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