Kommentar:Digital naiv

Tausende Geldautomaten sind weg vom Netz - und offenbaren so auf einen Schlag, wie schwierig sich die Sparkassen mit der digitalen Revolution tut. Die Institute sind zu träge für den sich rasant wandelnden Wettbewerb.

Von Meike Schreiber

Wenn's ums Geld geht - streikt der Automat. In fünf Bundesländern waren am Freitag Tausende Sparkassen-Geldautomaten ausgefallen, Millionen Sparkassen-Kunden kamen bis zum späten Nachmittag nicht an Bargeld. In einigen Filialen funktionierten zwar die Automaten, dafür aber streikten die Computersysteme für den Schalterbetrieb. Zahlreiche Mitarbeiter kamen also auch dort nur noch begrenzt an Bargeld heran. Einige Sparkassenfilialen mussten wegen der Probleme komplett geschlossen werden. Schuld war ein Netzwerkfehler in einem Rechenzentrum.

Nach ein paar Stunden war die Sache zwar vorbei, und immerhin konnten die Kunden zwischenzeitlich noch mit der EC-Karte bezahlen. Auch das Onlinebanking war nicht von dem Ausfall betroffen. Alles wieder in Ordnung also?

Von wegen! Der Ausfall ist für die Sparkassen ein schwerer Schlag: Das dichte und abgesehen von Freitag funktionstüchtige Netz von 25 000 Geldautomaten und 12 000 Filialen gehört zum Markenkern der über 400 kommunalen Institute. Reißen darin Lücken auf, so schädigt das den guten Ruf - und auch die Glaubwürdigkeit. Als kürzlich die Privatbanken die Geldautomaten-Gebühren für Kunden anderer Institute anhoben, prahlten die Sparkassen mit dem gut verzweigten Netz an Automaten, das Kunden kostenlos zur Verfügung stehe. Und immer, wenn die aufs Internet setzenden Direktbanken Erfolge vermelden, betonen die Sparkassen die Nähe zum Kunden. Onlinebanken hingegen würden "ihre Kunden mit Bits und Bytes in leeren Technikhallen mit seelenlosen Maschinen alleine lassen", ätzte einmal Georg Fahrenschon, Präsident des Sparkassenverbands.

Doch auch die Sparkassen müssen sich mit "Bits und Bytes" beschäftigen. Und dabei geben sie keine gute Figur ab - auch jenseits der Netzwerkpanne an den Geldautomaten. Alle Unternehmen in der Finanzbranche stehen derzeit vor der Frage, ob und wie sie ihr Geschäft an die digitale Revolution anpassen müssen. Nicht nur Start-ups mit ganz neuen Ansätzen, sondern auch die etablierten Häuser liefern sich ein Wettrennen um die beste App zur Kontoführung, die cleverste Plattform für Crowdlending oder den Wertpapierhandel. Auch die Sparkassen machen dabei irgendwie mit: Ihre App für die Kontoführung auf dem Smartphone zum Beispiel hat zuletzt gute Noten bekommen.

Jeder will mitreden: Die Sparkassen sind zu langsam für den schnellen Wettbewerb

Und doch: Wer in der Bankenbranche den Ton angibt, das wandelt sich rasant, so rasant wie nie zuvor in den vergangenen Jahrzehnten. Die dezentralen Strukturen der Sparkassen aber und ihre basisdemokratischen Entscheidungswege verkehren sich da von einem Vorteil in einen gewaltigen Nachteil.

Da ist das Beispiel Paydirekt: Das Online-Bezahlsystem ist die gemeinsame Antwort der deutschen Banken auf den amerikanischen Platzhirsch Paypal und andere findige Technologiefirmen. Es geht darum, längst verlorene Marktanteile wiederzugewinnen und den hiesigen Bankkunden für den Einkauf im Internet eine Überweisungsmethode anzubieten, die direkt mit ihrem Girokonto verbunden ist. Im November soll das neue Angebot starten.

Zwei Jahre dauerte es, bis sich die deutschen Institute überhaupt einig waren, ob und wie sie den Kampf aufnehmen. Wer zögerte bis zuletzt? Die Sparkassen. Dem Vernehmen nach grübelte ein einziger Regionalverband ein Jahr lang, ob man lieber mit einem eigenen Sparkassen-System gegen Paypal ins Rennen ziehen solle. Wären nicht die Volksbanken und Privatbanken vorgeprescht, würden die Sparkassen wohl heute noch diskutieren.

Denn häufig geht es in der Sparkassenfamilie allein um Machtfragen und nicht darum, was betriebswirtschaftlich die beste Lösung wäre. So werden wichtige Entscheidungen viel zu lange aufgeschoben. Bei den Sparkassen ist es oft wichtiger, welcher Regionalfürst in der Republik gerade Oberwasser hat und wer dem Präsidenten in Berlin eins auswischen oder aber den Rücken stärken will. Es ist ein Geflecht aus schwer zu durchschauenden Allianzen und jahrzehntealten Feindschaften.

Zu allem Überfluss ist im Dachverband der Sparkassen schon seit Wochen der Vorstandsposten für die Digitalfragen vakant. Im Sommer hatte Präsident Fahrenschon den zuständigen Vorstand Ludger Gooßens Knall auf Fall vor die Tür gesetzt, ohne sich aber vorher um die Nachfolge zu kümmern. Nun sucht der Verband händeringend einen Nachfolger. Die ersten Kandidaten sollen schon abgewinkt haben. Und das ist ja nur die Spitze. Der Ausfall der Geldautomaten zeigt: Die Sparkassen benötigen auch anderswo dringend digitale Kompetenz.

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